Fehlzuordnung durch den INEK-Grouper gefährdet die LG Komplexe Gastroenterologie
Mit der Einführung des KHVVG wurden bundesweit neue Leistungsgruppen eingeführt, die ab 2027 für die Kliniken verbindend werden sollen. Die Ausgestaltung der Abrechnung in den LG wird u.a. durch die §§ 135e und 135f SGB V dargestellt.
Im Februar 2025 stellte das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (INEK) den nach § 21 Abs. 3c KHEntgG entwickelten LG-Grouper vor.
Durch den Hinweis mehrerer Krankenhäuser mit gastroenterologischen Fachabteilungen und durch eigene Analysen sind wir auf eine Fehlzuordnung von Leistungen in die LG Komplexe Gastroenterologie aufmerksam geworden, die nach unserer Einschätzung Auswirkungen auf die Umsetzung von §135f SGB V haben kann, insbesondere die Definition von Mindestvorhaltezahlen und die Berechnung von Vorhaltekosten. Hintergrund sind Analysen der erwähnten Häuser mit zertifizierten LG-Groupern, die die Zuordnung eigener Fälle in die LG Komplexe Gastroenterologie untersucht haben, und Analysen an 38 Datensätzen nach §21 KHEntgG aus dem DGVS-DRG Projekt:
Problematik der Fallzuordnung über den INEK LG-Grouper
Der InEK LG-Grouper sieht zwei Ableitungen für die Zuordnung von Behandlungsfällen in die LG Komplexe Gastroenterologie vor, mit jeweils drei bzw. zwei Zuordnungswegen, die dem Definitionshandbuch zu entnehmen sind:
- Die Funktion LG004 (Leistungsbezogene Zuordnung)
- über OPC / ICD-Codes, unabhängig von der Fachabteilung
- Die Funktion LG004F (Zuordnung über den Fachbereichsschlüssel, FAB)
- in Kombination mit OPS-Codes oder durch Ausschluss von „Allgemein internistischen“ DRGs
Auffällig ist nun, dass einige Krankenhäuser mit gastroenterologischem Schwerpunkt, die mit uns im Kontakt stehen, einen Großteil (>80 %) der Behandlungsfälle in die LG Komplexe Gastroenterologie zugewiesen bekommen, einige Krankenhäuser allerdings nur einen Bruchteil der behandelten Fälle (<10 %). Aus fachlicher Sicht ist allerdings kein Unterschied im Behandlungsspektrum dieser Häuser aus beiden Gruppen zu erkennen.
In der Analyse von 38 Datensätzen nach §21 KHEntgG aus dem DGVS-DRG Projekt zeigt sich, dass 13 der Häuser weniger als 10 % ihrer Fälle der LG Komplexe Gastroenterologie zugewiesen bekommen, 25 Häuser aber >80 %. Auch hier drängt sich der Verdacht auf, dass dies keine fachlich nachvollziehbare, sondern eine an andere Stelle begründete Ursache hat. Und: Wir kennen die Kliniken, die in diesem Projekt der Fachgesellschaft beteiligt sind als interventionell ausgerichtete und auf spezielle Gastroenterologie fokussierte Kliniken. Kliniken mit dem vordergründigen Behandlungsspektrum einer Allgemeinen Inneren Klinik sind im Projekt nicht dabei.
Es zeigt sich, dass ausschließlich der FAB ausschlaggebend für diese gravierenden Mengenunterschiede ist: Die Häuser mit dem überraschend niedrigen Zuweisungsanteil ihrer Fälle in die LG Komplexe Gastroenterologie haben auf Nachfrage ausnahmslos offengelegt, dass sie mit dem FAB 0100 (Allgemeine Innere) ihre Fälle verknüpfen. Umgekehrt haben alle anderen Häuser den FAB-Schlüssel 0700 oder 0107 (Gastroenterologie) verwendet.
Historisch bedingt haben viele gastroenterologische aber auch andere internistische Abteilungen in Deutschland den FAB 0100 (Allgemeine Innere Medizin) genutzt und mit weiterer Spezialisierung der Abteilungen weiterhin verwendet. Da die spezifische FAB-Zuordnung für die Abrechnung weitgehend unerheblich war, blieb dies auch im Laufe der Zeit unverändert.
Für eine Umsetzung von §135f SGB V ist jetzt der korrekte, einer der Fachabteilung entsprechende FAB – insbesondere aufgrund der dargestellten quantitativen Auswirkungen – entscheidend für die fachlich nachvollziehbare Fallzuordnung zur LG Komplexe Gastroenterologie.
Auswirkungen auf die gastroenterologische Versorgung
Das Ziel der Sicherstellung einer bedarfsgerechten und flächendeckenden stationären Versorgung ist im § 135f verankert. Aus unserer Sicht kann daher ein historisch gewachsener und bisher bedeutungsloser Schlüssel nicht erratisch eine Zuordnung von Fällen in eine LG wie die der komplexen Gastroenterologie – in unserer Analyse bei 34 % der untersuchten Häuser (13 von 38) fachlich nicht nachvollziehbar – entscheiden. Für uns resultieren aus dieser Analyse folgende Kernpunkte:
- Die Konsequenzen des FAB für die LG Zuordnung muss nun den Krankenhäusern erläutert werden, so dass eine fachlich begründete Zuordnung des FAB-Schlüssels, idealerweise bundeseinheitlich, erfolgen kann
- Die Auswirkung des FAB-Schlüssels auf die Zuordnung zur LG und damit das Erreichen der Mindestvorhaltezahl muss transparent dargestellt werden, bevor eine Datenjahr zur Kalkulation der Mindestvorhaltezahl herangezogen wird.
- In der Zulassung von Leistungsgruppen muss insbesondere auf eine ausgewogene und fachlich sinnvolle Interaktion mit anderen LG geachtet werden, bspw. standortbezogene Vorhaltung der LG Komplexe Gastroenterologie bei den LG 30 bzw. LG31-34.
- Die Weiterbildung in diesem Bereich muss gesichert bleiben.
Da die Daten von 2023/2024 als Basis für die Mindestvorhaltezahlen ab 2027 dienen sollen, ist eine Korrektur zwingend erforderlich.
Zur Behebung dieser Problematik sehen wir im Wesentlichen folgende Lösungsansätze:
- Nachträgliche Korrektur der 2024er-Daten durch eine Überarbeitung und Umkodierung der FAB – Schlüssel
- Aufruf zur Aktualisierung der FAB-Schlüssel in allen Krankenhäusern, damit eine FAB-basiert Zuordnung in einem zukünftigen Datenjahr fachlich korrekt erfolgen kann.
Wir haben unsere Analyse und Einschätzung zu möglichen Folgen bzw. Lösungsansätzen an das BMG übermittelt und sind auch mit unseren Kolleginnen und Kollegen im Austausch. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit allen Beteiligten eine fachlich fundierte und gerechte Umsetzung der LG-Komplexe Gastroenterologie sicherzustellen und das System weiter zu optimieren.
Brief an das Bundesministerium für Gesundheit