AOP 2023 und Sektorübergreifende Versorgung

Der Anfang 2023 erschienene AOP-Katalog hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Gastroenterologie. Auf dieser Seite infomiert die DGVS über den aktuellen Sachstand und die unternommenen Anstrengungen.

Auswirkungen des MDK-Reformgesetzes und des neuen AOP-Vertrags 2023: Kommentar auf die Kleine Anfrage an die Bundesregierung

Die Bundesregierung hat über das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU auf Initiative von Stephan Pilsinger, MdB zu den Auswirkungen des MDK-Reformgesetzes und des neuen Vertrages für Ambulantes Operieren (AOP) 2023 auf die Gesundheitsversorgung in Deutschland beantwortet. Die Antwort ist öffentlich einsehbar unter (siehe Link unten):

Die DGVS hat seit in Kraft treten des MDK-Reformgesetzte in einer Vielzahl von Stellungnahmen gegenüber den Institutionen der Selbstverwaltung und gegenüber dem BMG auf die großen Chancen, die bestehenden Hinderungsgründe und die erforderlichen Rahmenbedingungen hingewiesen, die für eine qualitätsgetriebene Ambulantisierung im Sinne der Patientenversorgung erforderlich sind.

Die Reaktion der Bundesregierung auf die kleine Anfrage macht deutlich, dass wichtige Fragen weiterhin nicht geklärt sind.  Die Antwort spiegelt eine sehr vorsichtige und abwartende Haltung der Bundesregierung wider. Eine Abschätzung der Auswirkungen der gesetzlichen Vorgaben zur Stärkung der ambulanten Medizin (§§115b, 115e, 115f SGB V) scheint kaum vorgenommen worden zu sein. Schätzungen zur Krankheitslast und zu den erforderlichen oder vorhandenen Kapazitäten in der ambulanten Versorgung scheinen weder krankheitsumfassend noch im Sinne einer Prognose für die kommenden Jahre vorzuliegen. Insbesondere die Krankheiten der Verdauungsorgane werden nicht als eine für Deutschland relevante Gruppe von Volkskrankheiten wahrgenommen eine Prognose zur Inzidenz von Krebs- und Herzkreislauferkrankungen wird für 2022 aufgeführt (S. 3).

Hinderungsgründe für eine Umsetzung der zunehmenden ambulanten Behandlung von bisher stationär behandelten Patienten scheinen nicht bekannt zu sein („Die Bundesregierung geht angesichts dieser gesetzlichen Vorgaben davon aus, dass die Leistungen des AOP-Katalogs kostendeckend erbracht werden können. (…)„(S.6).

Ein klares Bekenntnis zur ärztlichen Behandlungshoheit ist den Ausführungen zwar zu entnehmen (Ob eine Behandlung stationär, teilstationär oder ambulant erbracht wird, hängt vom Einzelfall und der ärztlichen Einschätzung ab.“), allerdings scheint unbekannt, dass in der post-hoc Betrachtung der Entscheidung in den Abrechnungsvorgängen und Prüfungen der Kostenträger diese immer wieder faktisch ausgehebelt wird (s.6).

Sehr zu begrüßen sind die gesetzlichen Vorgaben zur Re-Evaluation der Ambulantisierung, die in den Antworten mehrfach betont werden („Nachdem eine erste Stufe mit dem vorliegenden erweiterten AOP-Katalog erreicht wurde, ist in einer zweiten Stufe zum 1. Januar 2024 die Einführung von neuen AOP-Regelungen in Verbindung mit Anpassungen des EBM und des DRG-Systems inklusive der konsentierten AOP-Leistungen mit komplexerem Regelungserfordernis durch die Vertragspartner geplant. (…)“(s.7.)).

Zumindest scheint auch im BMG bekannt geworden zu sein, dass die Vorgaben des AOP-Vertrages zur Abgrenzung einer ambulanten vs. stationären Behandlung nicht praxistauglich sind und einer Nachbesserung bedarf („Die Durchführung von stationärer Behandlung ist daher nicht auf das Vorliegen eines Kontextfaktors beschränkt.“)

Auch wenn die Zuständigkeit für die Umsetzung der AOP-Reform insbesondere in medizinischer Hinsicht bei den Selbstverwaltungskörperschaften nach § 115b Absatz 1 Satz 1 SGB V liegt, sollte es zu den Aufgaben des BMG gehören, die Kapazitäten für eine leitliniengerechte Umsetzung der Ambulantisierung sicherzustellen und den medizinischen Fachgesellschaften hierzu Gehör zu verschaffen.

Link zur Kleinen Anfrage an die Bundesregierung: https://dserver.bundestag.de/btd/20/063/2006356.pdf.

Spezielle sektorengleiche Vergütung nach § 115f SGB V

Ohne eine leistungs- und sachgerechte, das heißt zumindest kostendeckende Vergütung für ambulant operierende Kliniken, ambulant operierende Facharztpraxen, ambulante OP-Zentren sowie Praxiskliniken droht ein Szenario, in welchem nur diejenigen Eingriffe und Prozeduren ambulant durchgeführt werden, die noch am wenigsten defizitär sind. In anderen Bereichen kann es zu einer „Versorgungslücke“ kommen.

Mit der speziellen sektorengleichen Vergütung nach § 115f SGB V möchte der Gesetzgeber die Ambulantisierung von bislang überwiegend stationär erbrachten Leistungen durch die Einführung von Hybrid-DRG fördern.

Mit dem in der Zeitschrift „Das Krankenhaus“ publizierten Artikel „Hybrid-DRG: Das Beste aus zwei Welten“ liefern wir am Beispiel von realen InEK-Kostendaten zweier gastroenterologischer Leistungen einen praxisorientierten Vorschlag zur Entwicklung sachgerecht kalkulierter Pauschalen (Hybrid-DRG) zur Vergütung der speziellen sektorengleichen Leistungserbringung. Die Präsentation zur Publikation stellen wir Ihnen zur weiteren Verbreitung zum Download zur Verfügung.

Zur Publikation
Download der Präsentation

 

AOP-Vertrag für 2023: Kontextfaktoren müssen angepasst werden

Eine zentrale Schwachstelle des neuen AOP-Vertrages 2023 sind die Kontextfaktoren, die die bisherigen G-AEP-Kriterien und die Kategorien 1 und 2 ersetzen. Der Ersatz der Kategorisierung und der G-AEP-Kriterien durch die neu eingeführten, im Vergleich zum IGES-Gutachten sehr rigiden Kontextfaktoren kann in der vorliegenden Form nun zu einer erheblichen Versorgungslücke in Deutschland, vor allem bei den endoskopischen Eingriffen am biliopankreatischen System (ERCP) und der endoskopischen Resektion von großen Polypen des Kolons führen. Insbesondere diese Eingriffe sind nicht kostendeckend über den EBM abgebildet und werden damit nicht sachgerecht vergütet. Dies ist auch der Grund, warum eine Ambulantisierung dieser Eingriffe bisher nicht gelungen ist, obwohl sie bereits Bestandteil des alten AOP-Katalogs waren. Minimal invasive und damit Lebensqualität erhaltende Verfahren sind nicht mehr kostendeckend. Für die Kliniken wird auf dieser Basis die chirurgische Resektion ökonomisch sinnvoller als der endoskopische, organerhaltende Eingriff.

Unklar ist vorallem auch, warum die in dem von KBV, GKV und DKG beauftragten Gutachten des IGES-Institutes mit Sachverstand definierten und von der Fachöffentlichkeit mit breitem Konsens getragenen Kontextfaktoren nicht übernommen wurden. In der Durchsicht der Kontextfaktoren zum AOP-Vertrag 2023 findet sich jetzt eine Auflistung von Erkrankungen, die erhebliche Lücken aufweist (z. B. Berücksichtigung der akuten Cholezystitis, jedoch keine Berücksichtigung der akuten Cholangitis). Die DGVS und die Sektion Endoskopie haben gemeinsam mit Vertretern der ALGK und des bng eine ergänzende Liste der Kontextfaktoren erarbeitet und an die Verhandlungspartner und das BMG übermittelt. Diese müssen in den Vertrag aufgenommen werden, um Versorgungslücken und Fehlanreize zu verhindern.

Als gastroenterologische Expertinnen und Experten unterstützen wir die Ambulantisierung und eine sektorenübergreifende Versorgung. Dabei werden wir jedoch das Wohl der Patienten und die Sicherheit und Qualität bei der Versorgung an oberste Stelle stellen. Diese ist gefährdet, wenn Versorgungslücken durch falsche Anreize und praxisferne Ausgestaltung der Rahmenbedingungen entstehen.

Die vollständige Stellungnahme und den Vorschlag für eine Ergänzung der Kontextliste finden Sie hier:

Download der Stellungnahme
Download der Liste Kontextfaktoren

Neuer AOP-Vertrag für 2023: Welche Auswirkungen gibt es für die Gastroenterologie?

Was ging voraus?

Das Jahr 2023 startet mit einem großen Schritt zur Erweiterung der Ambulantisierung von medizinischen Leistungen in Deutschland. Dies trifft die Gastroenterologie in besonderem Maße. Steigende Gesundheitsausgaben in Deutschland und ein zunehmender Personalmangel im Gesundheitssystem treiben das Ansinnen voran, eine Vielzahl stationärer Behandlungen in Zukunft ambulant anzubieten. Hierbei orientiert man sich auch an den europäischen Nachbarländern, die die Richtung der Ambulantisierung schon früher eingeschlagen hatten. Am 22. Dezember haben der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) den neuen AOP-Vertrag geschlossen.[1] Vorausgegangen war unter anderem ein Gutachten, das von den Spitzenverbänden beim IGES-Institut in Auftrag gegeben worden war.[2] In diesem Gutachten wurde eine umfangreiche Erweiterung eines Katalogs an ambulanten Operationen präsentiert, die die Anzahl der im bisherigen AOP-Katalog enthaltenen Leistungen in etwa verdoppelt. Um eine Entscheidungshilfe für eine ambulante oder stationäre Behandlung zu erhalten, wurde in dem IGES-Gutachten ein umfangreiches System von neun Kontextfaktoren vorgeschlagen. Diese stellten eine Modifikation der bisherigen G-AEP Kriterien dar.

Eine wesentliche Frage blieb vom IGES-Gutachten unbeantwortet und bleibt auch weiterhin offen: Wie kann eine kostendeckende Vergütung der komplexen ambulanten operativen Leistungen erfolgen. Zum Jahresende kamen hierzu allerdings wichtige Hinweise. Das seit 2020 intensiv in diesem Thema arbeitende Innovationsfondsprojekt „Einheitliche, sektorengleiche Vergütung“ hat seine Ergebnisse vorgestellt und vorgeschlagen, aus Kostendaten kalkulierte sektorengleiche Pauschalen für Leistungskomplexe zu erstatten, wenn in dieser ambulanten Versorgungsform Leistungen erbracht werden. Von Anfang an hatten auch die Expertinnen und Experten dieses Projektes endoskopische gastroenterologische Leistungen als einen wichtigen Anteil in dieser Versorgungsstruktur im Auge. In diesem Projekt und auch aus anderen Analysen ist klar geworden, dass eine Verschiebung von DRG-Leistungen in das Ambulante Operieren auf Basis des EBM in der endoskopischen Leistungserbringung aus diesen Gründen kaum realisiert wurde.[3],[4],[5]

In der Gastroenterologie haben sich die DGVS, die Arbeitsgemeinschaft leitender gastroenterologischer Krankenhausärzte (ALGK) und der Berufsverband niedergelassener Gastroenterologen (bng) schon in der Entstehungsphase des MDK-Reformgesetzes in 2019 zusammengefunden und Vorschläge zu einer Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Strukturen gemacht. Zudem wurden in einem gemeinsam beauftragten Gutachten beim Institute for Health Care Business GmbH (hcb) anhand vorliegender Leistungs- und Abrechnungsdaten neue Modelle für eine sektorengleiche Versorgung und eine geeignete Leistungsvergütung herausgearbeitet.[6],[7]

Die weitere Umsetzung des MDK-Reformgesetzes und damit insbesondere auch die leistungsgerechte Vergütung wollen die Spitzenverbände bis zum 31.12.2023 abschließen. Es bleibt aktuell aber unklar, wie diese Umsetzung aussehen wird. Welche Rolle werden die neu verabschiedeten Gesetze §§115e (Tagesstationäre Behandlung) und 115f (Spezielle sektorengleiche Vergütung; Verordnungsermächtigung) einnehmen? Unverständlich bleibt, wieso im AOP-Vertrag für 2023 althergebrachte Vergütungsstrukturen aufrecht erhalten bleiben, obwohl Expertisen und Gutachten sowie die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte gezeigt haben, dass dies u.a. für viele endoskopische Behandlungen nicht funktioniert. Und dies, obwohl mit dem §115f eine Chance für eine sektoren-übergreifende Vergütungsstruktur geschaffen wurde.

Was kommt nun im Detail?

Der neue AOP-Vertrag für 2023 nimmt einige Hinweise aus den Gutachten des letzten Jahres auf, um den Vorgaben aus dem MDK-Reformgesetz von 2019 zu entsprechen, verkürzt diese aber wesentlich. Das vielzitierte Gutachten des IGES-Instituts hat z. B. vorgeschlagen, die Liste der ambulanten Operationen (AOP) von ca. 2.500 Prozeduren auf ca. 5.000 in etwa zu verdoppeln.

Die Verhandlungspartner Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), GKV-Spitzenverband und Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) konnten sich zum Jahresende nicht auf eine Umsetzung dieser umfangreichen Änderungen verständigen. Der neue AOP-Katalog erhält aber nur ca. 200 neue Leistungen, dem Vorschlag des IGES-Institutes wurde also nicht entsprochen.

Zudem wurde im IGES-Gutachten zwar ein komplexes System von sogenannten Kontextprüfungen empfohlen. Zwar wird der Begriff der Kontextfaktoren nun neu eingeführt. Eine umfängliche Umsetzung der Vorschläge stellt dies aber nicht dar. Die Vorschläge zur sektorengleichen Vergütung aus dem zitierten Innovationsfondsprojekt wurden ebenfalls nicht berücksichtigt.

Für die Gastroenterologie sind die folgenden OPS-Leistungen neu in den AOP-Katalog 2023 aufgenommen worden:

5-422.53           Lokale Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe des Ösophagus: Destruktion, endoskopisch: Kryokoagulation

5-422.55            Lokale Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe des Ösophagus: Destruktion, endoskopisch: Radiofrequenzablation

5-422.56            Lokale Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe des Ösophagus: Destruktion, endoskopisch: Mikrowellenablation

5-493.00           Operative Behandlung von Hämorrhoiden: Ligatur: 1 Hämorrhoide

5-493.01           Operative Behandlung von Hämorrhoiden: Ligatur: 2 Hämorrhoiden

5-493.02           Operative Behandlung von Hämorrhoiden: Ligatur: 3 oder mehr Hämorrhoiden

5-490.1             Inzision und Exzision von Gewebe der Perianalregion: Exzision

8-123.1            Wechsel und Entfernung eines Gastrostomiekatheters: Wechsel

8-124.0             Wechsel und Entfernung eines Jejunostomiekatheters: Wechsel

8-124.1             Wechsel und Entfernung eines Jejunostomiekatheters: Entfernung

Bisher schon enthalten sind im AOP-Katalog bspw. die

  • Bougierung des Ösophagus oder Kardiasprengung
  • Anlage einer Gastrostomie: Perkutan-endoskopisch (PEG): Durch Fadendurchzugsmethode
  • ERCP (alle Indikationen!)
  • Koloskopie mit Polypektomie oder endoskopischer Mukosaresektion

Neu ist, dass die Leistungen des AOP-Katalogs nicht mehr als Kategorie 2-Leistungen eingestuft werden, d.h. Leistungen, die ambulant oder stationär erbracht werden können. Ab 2023 ist die Einteilung in Kategorien entfallen.

Für alle diese Eingriffe aus dem AOP-Katalog gilt, dass in Zukunft für jeden Fall, bei dem eine Behandlung stationär durchgeführt werden soll, sehr genau dokumentiert werden muss, warum eine ambulante Behandlung nicht möglich war. In jedem dieser Fälle ist mit einer Überprüfung einer stationären Behandlung durch den Medizinischen Dienst (MD) im Auftrag der Krankenkassen zu rechnen (Stichwort: primäre Fehlbelegung).

Die sogenannten Kontextfaktoren, die eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit begründen können, sind im aktuellen AOP-Vertrag erstmalig definiert worden. Die G-AEP-Kriterien, die bisher zur Indikation für eine stationäre Behandlung herangezogen wurden, gelten ab sofort nicht mehr. Stattdessen wurde eine im Vergleich zum Gutachtenvorschlag des IGES-Institutes reduzierte Form von Kontextfaktoren veröffentlicht, die eine stationäre Behandlung rechtfertigen. Die Kontextfaktoren umfassen ICD-Diagnosen (z.B. gastrointestinale Blutungen, Abszesse, Ileus, akute Pankreatitis, akuter Myokardinfarkt, akute Cholezystitis, entgleister Diabetes mellitus, akutes Nierenversagen, Divertikulitis – es gibt aber deutliche Lücken und Ungereimtheiten wie z.B. das Fehlen von Leberzirrhose jeder Graduierung, chronischer Pankreatitis und Cholangitis oder infektiologischer Tuberkulose, die nur noch bei Schwangerschafts-TBC oder Knochen-TBC stationär zu behandeln ist), OPS erfasste Prozeduren (hier wurden allerdings keine gastroenterologischen Prozeduren berücksichtigt – von der TIPS-Revision mal abgesehen), stark eingeschränkte Mobilität oder stark beeinträchtigte kognitive Fähigkeiten (Barthel Index) oder ein Pflegegrad 4 oder 5. Die bislang auch noch berücksichtigte, fehlende postinterventionelle häusliche Versorgung ist nicht mehr als expliziter Kontextfaktor vorgesehen und wird in das Ermessen der Ärzte gestellt. Gegebenenfalls soll hier bei den Kassen ein Einzelfallantrag gestellt werden. Das Vorliegen einer oder mehrerer dieser Faktoren muss regelhaft dokumentiert sein. Für die Ärzteschaft stellt sich nicht zuletzt auch die Frage nach der ärztlichen Verantwortung und dem (auch haftungsrechtlich) vertretbaren Risiko einer ambulanten Therapie trotz Komorbidiäten oder fehlender häuslicher Versorgung.

Die Regularien zur Abrechnung der ambulanten Operationen und der verwendeten Materialien haben sich im Vergleich zur bisherigen Regelung nicht wesentlich verändert. Bei den endoskopischen Eingriffen können beispielsweise für die ERCP die Materialien als Einzelkosten abgerechnet werden. Im Speziellen sind dies Kontrastmittel, diagnostische und interventionelle Katheter einschließlich Führungsdraht, sowie im Körper verbleibende Implantate in Summe. Die übrigen Materialien (einschließlich Durchleuchtungsanlage) müssen vom Krankenhaus zur Verfügung gestellt werden. Bei der Koloskopie gibt es in der Regel Sachkostenpauschalen, die bei komplexen EMR nicht den realen Aufwand abbilden. Offen bleibt auch die Berücksichtigung von Personal- und Sachkosten, die durch die ggf. verlängerte postinterventionelle Beobachtung einschließlich Laborkontrolle entstehen (z.B. therapeutische ERCP). Eine Aus- und Weiterbildung ist offensichtlich nicht berücksichtigt, denn die AOP-Leistungen müssen in der Regel von Fachärzten erbracht werden.

Eingriffe, bei denen die meisten von uns sich einig sein dürften, dass sie in den AOP-Katalog aufgenommen werden sollten, wie z.B. die endosonographischen Biopsien oder Leistungen im Bereich der Funktionsdiagnostik, wurden in der aktuellen Version bisher leider nicht berücksichtigt.

Zunächst gilt eine Übergangsfrist. Sofern Patienten bis einschließlich 31.03.2023 zur stationären Durchführung einer Leistung, die neu in den AOP-Katalog hinzugekommen ist, in ein Krankenhaus aufgenommen werden, wird die Abrechnung des Krankenhauses für diese Leistung nicht im Hinblick darauf überprüft, ob die Leistung im Rahmen des Ambulanten Operierens erbracht werden konnte. Bis einschließlich 15.02.2023 wird die Erfüllung der Kontextfaktoren nicht überprüft.

Von AOP-Leistungen abzugrenzen: Tagesstationäre Behandlung nach §115e SGB V

Das Jahr 2023 bringt weitere neue Regelungen: Nun gelten neben dem geänderten AOP-Vertrag die tagesstationäre Behandlung entsprechend §115e SGB V und die sektorengleiche Versorgung nach §115f SGB V. Was bedeutet dies? Stationäre Fälle, die aktuell als Ein-Tagesfälle behandelt werden, dürfen bei stationärer Ein-Tagesfallabrechnung als tagesklinische Behandlung erbracht werden (§115e SGB V). Voraussetzung dafür ist eine stationäre Behandlung von mindestens 6 Stunden im Krankenhaus. Diese Leistungen betreffen nur OPS-Codes, die nicht im AOP-Katalog enthalten sind. Ein stationärer Behandlungsgrund muss vorliegen. Es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass die jetzt noch im Rahmen der tagesstationären Behandlung abgerechneten Fälle bei der nächsten Revision des OPS-Kataloges als AOP-Leistung definiert werden. Gespannt sein muss man auch darauf, was aus der sektorengleichen Versorgung nach §115f SGB V werden wird und welche Leistungen bzw. Leistungskomplexe dort verortet werden sollen. Auch die Abgrenzung einer sektorengleichen Versorgung zum ambulanten Operieren / AOP ist spannungsgeladen – die vollständige Bezeichnung für den AOP-Katalog ist nämlich: Katalog ambulant durchführbarer Operationen, sonstiger stationsersetzender Eingriffe und stationsersetzender Behandlungen. Ein Zusammenführen beider Bereiche oder ein Überführen des AOP in die sektorengleiche Versorgung hätte diese Widersprüche aufgelöst.

Als gastroenterologische Expertinnen und Experten sind wir uns einig, dass wir die Bemühungen um die Ambulantisierung begrüßen und unterstützen. Hierbei muss jedoch das Wohl der Patienten und die Sicherheit und Qualität bei der Versorgung an oberster Stelle stehen. Damit die Patienten von einer Stärkung ambulanter Versorgungsstrukturen profitieren, ist es zwingend, die in wissenschaftlichen Leitlinien definierten Qualitätsanforderungen zu etablieren und zu berücksichtigen.

Wir werden Sie über alle Neuerungen kurzfristig auf dem Laufenden halten.

Der Vorstand der DGVS
13. Januar 2023

Download der Stellungnahme

 

[1] AOP-Vertrag 2023. https://www.dkgev.de/themen/finanzierung-leistungskataloge/ambulante-verguetung/ambulantes-operieren-115b-sgb-v/. Dezember 2022. Access 10.01.2023

[2] Gutachten nach §115b Absatz 1a SGBV des IGES-Institutes. https://www.iges.com/sites/igesgroup/iges.de/myzms/content/e6/e1621/e10211/e27603/e27841/e27842/e27844/attr_objs27932/IGES_AOP_Gutachten_032022_ger.pdf. März 2022. Access 10.01.2023

[3] Einheitliche, sektorengleiche Vergütung. Innovationsfondsprojekt des Hamburg Center for Health Economics, BKK Dachverband e.V., Deutschen Krankenhausinstitut, Fachgebietes Management im Gesundheitswesen, TU Berlin und Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland. https://www.hche.uni-hamburg.de/dokumente/20220920-esv-finale-fassung-v1-1.pdf. September 2022. Access 10.01.2023

[4] M Rathmayer et al. für die DRG-Projektgruppe der DGVS. Kosten endoskopischer Leistungen der Gastroenterologie im deutschen DRG-System – 5-Jahres-Kostendatenanalyse des DGVS-Projekts. Z Gastroenterol. 2017;55(10):1038-1051. doi: 10.1055/s-0043-118350.

[5] M Rathmayer et al. Kosten potenziell ambulant erbringbarer endoskopischer Leistungen in Fällen mit 1-Tages-Verweildauer gegenüber einer längeren Verweildauer. Z Gastroenterol 2022;60(08):e644-e645. DOI: 10.1055/s-0042-1755103.

[6] Vergütungssystematik von ambulant zu erbringenden stationären gastroenterologischen Krankenhausleistungen.  Z Gastroenterol 2022; 60(03): 527-528 DOI: 10.1055/a-1772-3923

[7] Gutachten „Vergütungssystematik ambulant zu erbringender stationärer gastroenterologischer Krankenhausleistungen“. Boris Augurzky, Annika Emde, Sabine Finke, Claudia Rösen. Dezember 2022.  https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2022/02/AOP-Gutachten-Verguetungssystematik_final_14.01.22.pdf, Access 10.01.2023

Unsere Stellungnahmen zur Sektorenübergreifenden Versorgung

Vorschlag für eine Schweregraddefinition im Rahmen der Neuregelung des ambulanten Operierens (AOP)
Oktober 2021
Download der Stellungnahme

Stellungnahme zur Berücksichtigung der Qualitätsvorgaben in Leitlinien und des Leistungskatalogs Gastroenterologie
August 2021
Download der Stellungnahme
Download der Anlage

Stellungnahme zum geplanten IGES Gutachten
Juni 2021
Download der Stellungnahme

Stellungnahme zum MDK-Gesetz: Perspektiven der sektorenübergreifenden Versorgung in der Gastroenterologie
Februar 2020
Download der Stellungnahme

Stellungnahme zum Referentenentwurf zum MDK Reformgesetzes : Beteiligung der Fachverbände
Mai 2019
Download der Stellungnahme

Gutachten zur Sektorenübergreifenden Versorgung

Gutachten“ Vergütungssystematik ambulant zu erbringender stationärer gastroenterologischer Krankenhausleistungen“ des Institute for Health Care Business GmbH (hcb)
Dezember 2021
Download des Gutachtens

Gutachten nach §115b Absatz 1a SGBV des IGES-Institutes.
März 2022
Download des Gutachtens

Innovationsfondsprojekt „Einheitliche, sektorengleiche Vergütung“ des Hamburg Center for Health Economics, BKK Dachverbandes e.V., Deutschen Krankenhausinstitutes, Fachgebietes Management im Gesundheitswesen, TU Berlin und Zentralinstitutes für die kassenärztliche Versorgung
September 2022
Download des Berichtes

Presseaktivitäten zum Thema Sektorenübergreifende Versorgung

Neuer AOP-Vertrag: Gastroenterologen warnen vor Versorgungslücken und sehen Patientensicherheit gefährdet
Januar 2023
Download der Pressemitteilung

Transparenz und Dynamik: Erster konkreter Vorschlag für ein Vergütungssystem der sektorübergreifenden Versorgungstrukturen bringt die Ambulantisierung voran
September 2022
Download der Pressemitteilung

Pressekonferenz „Chancen und Risiken der Ambulantisierung in Deutschland – Ein aktuelles Gutachten zeigt neue Wege auf“
Juli 2022
Zur Pressekonferenz