Funktionierende Strukturen spezialisierter Einrichtungen dürfen nicht zerschlagen werden.

In der Presse hat unser Bundesgesundheitsminister angekündigt, den Ländern ein neues Instrument – die sogenannte Folgenabschätzung – zur Verfügung zu stellen, um die Krankenhausplanung zu optimieren. Ein populationsbezogenenes Berechnungs- und Simulationsmodell zur Planung und Folgenabschätzung wurde von der Regierungskommission im Monitor Versorgungsforschung publiziert.

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) begrüßt ausdrücklich die Diskussion und das Anliegen, die Versorgungstrukturen den finanziellen und personellen Realitäten anzupassen. Noch wichtiger ist, dass die Qualität der Versorgung unserer Patienten verbessert wird. Die von der Regierungskommission angestoßene und nun kurz vor der Verabschiedung befindliche Krankenhausreform wird aus diesen Gründen von der DGVS durch vielfältige Aktivitäten, wie der Zusammenarbeit mit der AWMF, in eigenen Stellungnahmen und in regelmäßigem Austausch mit BMG und INEK unterstützt.

Aus Gründen einer bundeseinheitlichen und zeitnahen Umsetzbarkeit der Reform wurde im Laufe des gesetzgeberischen Verfahrens entschieden bei der Einführung der Leistungsgruppen (LG) auf die LG Definition NRW zurückzugreifen – die auch die Grundlage des Berechnungs- und Simulationsmodells ist – wohlwissend, dass diese zur Planung und nicht zur Berechnung von Vorhaltekosten gemacht wurden.

Um eine optimierte Umsetzung der LG zu erreichen, bindet das BMG seit 2023 die Fachgesellschaften koordiniert über die AWMF in die Definition der Leistungsgruppen ein. In der bisher geführten interdisziplinären Diskussion wurde deutlich, dass die NRW-Kriterien als Planungstool geeignet sein mögen, aber zur Abbildung einer qualitätsgesicherten Versorgung nicht ausreichend sind. Auch wenn eine Weiterentwicklung der LG im Gesetzentwurf verankert sind, besteht die Gefahr, dass bei einer unkritischen Übernahme der NRW-Definition funktionierende Versorgungstrukturen zerschlagen werden. Das von Ihnen veröffentlichten Modell zur Planung und Folgeabschätzung spiegelt dies jetzt eindrücklich unter anderem am Beispiel der Gastroenterologie wider.

Die jetzt von den Mitgliedern der Regierungskommission publizierte Studie geht von derzeit 270 Standorten für Komplexe Gastroenterologie aus, was im Kontrast steht zu unseren internen Schätzungen steht, nach denen mehr als 400 Kliniken eine Leistungsgruppe Komplexe Gastroenterologie anbieten können. Gleichzeitig werden in der Publikationen 559 Standorte für die Leistungsgruppe Pankreaschirurgie, 355 Standorte für Ösophaguschirurgie, 550 für Lebereingriffe und 973 (!!) für tiefe Rektumeingriffe aufgeführt.

Diese Zahlen suggerieren, dass an vielen Standorten große viszeralmedizinische Eingriffe ohne eine spezialisierte Gastroenterologie durchgführt werden. In ihrer Diskussion greifen Sie diesen Punkt auf und stellen fest, dass „Fälle der Komplexen Gastroenterologie in vielen Krankenhäusern in durchaus angemessen ausgestatteten Fachabteilungen für Allgemeine Innere Medizin behandelt“ werden können. Hier widersprechen wir nachdrücklich. Dies stellt eine patientengefährdende Fehlannahme dar. In keinem Haus lassen sich komplexe viszeralchirurgische Eingriffe ohne eine spezialisierte diagnostische und therapeutische Endoskopie zum Komplikationsmanagement darstellen.

Leistungen wie die Endosonographie oder die ERCP gehören ausschließlich in eine LG Komplexe Gastroenterologie, auch wenn dies im Planungstool NRW bisher nicht berücksichtigt wurde. Die Zuordnung dieser Leistungen in die LG Komplexe Gastroenterologie stellt darüber hinaus ein entscheidendes Kriterium für den durch das INEK zu entwickelnden Grouper zur Berechnung der Vorhaltekosten dar.

Ganz unabhängig davon wird die Komplexe Gastroenterologie am Standort schon seit Jahren für die Zertifizierung viszeralonkologischer Zentren gefordert. Diese Zertifizierungsverfahren gehört zu den wenigen in Deutschland, die den Effekt einer Zentralisierung auf Morbidität und Mortalität vom krebserkrankten Patienten wissenschaftlich nachgewiesen haben.

Gerade weil wir uns eine Gesundheitsreform zur Verbesserung der Patientenversorgung und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen aller im Gesundheitswesen Beschäftigten wünschen, erwarten wir von den Beteiligten die Auswirkungen ihrer Planung kritisch zu hinterfragen und Widersprüche anzugehen, bevor funktionierende Strukturen spezialisierter Einrichtungen einer unzureichend reflektierten Reform zum Opfer fallen.

Die DGVS Ihre Position der Regierungskommission übermittelt.

Zur Stellungnahme der DGVS

Zur Publikation

Kontakt

Albert

Prof. Dr. med. Jörg Albert

Vorstand Gesundheitsökonomie 2023 – 2025

Klinik für Gastroenterologie, gastroenterologische Onkologie, Hepatologie, Infektiologie und Pneumologie
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COI

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PD Dr. med. Petra Lynen Jansen

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