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Leitlinienprogramm
Um den Leitlinienprozess zu erleichtern und zu veranschaulichen, wurde das DGVS Leitlinienprogramm auf Basis des AWMF Regelwerks entwickelt.
Das Leitlinienprogramm der DGVS soll als Leitfaden bei der Leitlinienerstellung dienen.
Allgemeines
Finanzierung der Leitlinienentwicklung
Die Leitlinienentwicklung wird von der DGVS finanziert. Eine Finanzierung über die Industrie ist ausgeschlossen.
Eine Ausnahme von der oben genannten Finanzierung stellen die onkologischen S3-Leitlinien dar, die über das Leitlinienprogramm Onkologie (OL), die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und der Deutsche Krebshilfe (DKH) finanziert werden.
S3-Leitlinienfinanzierungen sind seit 2020 weiterhin über den Innovationsausschuss am Gemeinsamen Bundesausschuss möglich. Die jährlichen Ausschreibungen sind themengebunden.
Autorenschaften
Alle an der Leitlinie beteiligten Expert*innen werden als Autor*innen oder Kolaborator*innen benannt und sind zitierfähig in Pubmed gelistet. Voraussetzung für die Autorenschaft ist das Hinterlegen der Interessenerklärung. Das Weißpapier „Regelung der Autorenschaft bei Leitlinien“ gibt detaillierte Auskünfte zu den genauen Reglungen (s. Weißpapier Autorenschaften).
Arbeitsschritte
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1. Initiierung
LeitlinienbesetzungUm die Besetzung von Leitlinien transparent und divers zu gestalten und kontinuierlich anzupassen, werden neue Leitlinien und Leitlinien nach Ablauf der Gültigkeit online und / oder in der Zeitschrift für Gastroenterologie (ZfG) zur Bewerbung ausgeschrieben. Bewerbungen sind jederzeit oder nach Ausschreibung möglich. Der Vorstand der DGVS benennt unter besonderer Beachtung von Gleichstellung, aktivem Dienst und COI zwei Koordinierende. Die Kriterien für die Bewerbung und die Auswahl der Kandidierenden sind im Weißpapier Leitlinienbesetzung festgelegt.
Erstellung des KonzeptsNach Benennung durch den Vorstand erarbeiten die Koordinierenden ein Leitlinienkonzept.
Vorüberlegungen: Anders als bei anderen Formen aggregierter Evidenz (Systematic reviews (SR), Metaanalysen (MA)), stellt die Leitlinie nicht nur den aktuellen Erkenntnisstand dar, sondern bewertet darüber hinaus die vorhandene Evidenz aus klinischer Sicht und leitet daraus konkrete Handlungsempfehlungen ab. Da dies ein Ressourcen-aufwendiger Prozess ist, ist es wichtig zunächst zu überlegen, wie die Leitlinie aufgebaut sein soll:
- In einer Bedarfsanalyse sollte vorab festgestellt werden, welche Themengebiete in der Leitlinie abgehandelt werden sollen. Der Fokus sollte dabei auf einer Verbesserung der Versorgung liegen.
- Adressat*innen (Anwender*innen, Patient*innen, Versorgungsbereich, Weitere), an die sich die Leitlinie wendet, sollten auch an der Leitlinienentwicklung beteiligt werden.
- Es sollte vorher festgelegt werden, auf welche Art der Evidenzbasierung zurückgegriffen werden soll. S3-Leitlinien bedürfen einer systematischen Literaturrecherche mit anschließender kritischer Bewertung der eingeschlossenen Literatur mit entsprechender Dokumentation, die um ein Vielfaches aufwendiger ist als eine Literaturrecherche im Rahmen einer S2k-Leitlinie. Aber auch in S3-Leitlinien sollten im Vorfeld die Fragestellungen (Schlüsselfragen) identifiziert werden, für die eine systematische Recherche sinnvoll ist. Dies macht besonders dann Sinn, wenn hochwertige Evidenz für die Beantwortung besonders kritischer oder wichtiger Fragestellungen vorhanden ist. Seitens der AWMF wird empfohlen, mindestens die Hälfte der Fragestellungen in S3-Leitlinien formal evidenzbasiert zu unterlegen. Bei der Auswahl der Stufenklassifikation ist auch zu bedenken, dass in verbindlichen Richtlinien ausschließlich S3-Leitlinien berücksichtigt werden (normative Relevanz).
(s. Abbildung 2 im AWMF-Regelwerk Leitlinien: Formulierung von klinisch relevanten Fragestellungen, Priorisierung von Endpunkten) [4]
Das Konzept sollte folgende Punkte beinhalten (Vorlage als Download erhältlich):
- Titel und Begründung der geplanten Entwicklungsstufe der Leitlinie (S2k oder S3)
- Benennung der Patienten*innenzielgruppe, der Anwender*innenzielgruppe und des Versorgungsbereiches
- Benennung der zu beteiligenden Fachgesellschaften, Patientenvertreter*innen und Interessengruppen im Hinblick auf die Anwender*innenzielgruppe und den Versorgungsbereich
- Vorschlag der Steuergruppe (s. Weißpapier Steuergruppe)
- Vorschlag der AG-Besetzung (interdisziplinär, Berücksichtigung von Interessenkonflikten, s. hierzu auch Interessenerklärungen und Interessenkonfliktmanagement)
- Inhaltliche Gliederung und Bezug zu existierenden (DGVS-)Leitlinien
- Zeitplan (Konstituierendes Treffen, Konsensuskonferenz(en))
Das Konzept wird durch den Vorstand freigegeben.
EinladungsverfahrenNachdem das Konzept vorliegt und freigegeben ist, wird das Leitlinienprojekt im AWMF-Leitlinienregister von der DGVS Geschäftsstelle angemeldet und es werden alle zu beteiligenden Expert*innen und Fachgesellschaften bzw. Organisationen durch die DGVS Geschäftsstelle eingeladen. Folgende Aufgabenverteilung sollte berücksichtigt werden.
Aufgabenverteilung nach FunktionAufgabe der Koordinierenden
- Darstellung des aktuellen Stands der Literatur (existierende Leitlinien, Metaanalysen, systematische Übersichtsarbeiten, wenn nicht vorhanden, auch Primärliteratur)
- Festlegung der Themengebiete, die aufgrund einer neuen Datenlage oder aus Gründen der Versorgung ergänzt, überarbeitet, gestrichen oder übernommen werden sollen.
- Erstellung und Festlegung der Themengebiete und Schlüsselfragen mit Blick auf die Versorgungsrelevanz
- besondere klinische Bedeutung
- besonders kontroverse Datenlage
- besonders häufige fehlerhafte Anwendung
- nur S3: Organisation der Literatursuche und -bewertung
- Einholung und Bewertung der Interessenserklärungen
- Erstellung des Gesamtmanuskripts
Aufgabe der AG-Leitung
- Bei S2k: in Abstimmung mit den Koordinierenden
- Ggf. Ergänzung der Themengebiete
- Literaturrecherche
- Bei S3: in Abstimmung mit den Koordinierenden
- Ggf. Ergänzung der Themengebiete und Schlüsselfragen
- Systematische Literaturrecherche (Erstellung von Suchstrings, Literatursuche, -auswahl und -bewertung, Dokumentation der einzelnen Schritte)
- Koordination der Erstellung der Empfehlungen/Statements und Hintergrundtexte innerhalb der Arbeitsgruppe
Aufgabe der AG-Mitglieder
- Unterstützung der AG-Leitung
- So wie von AG-Leitung festgelegt: Erstellung der Empfehlungen/Statements/Hintergrundtexte unter Berücksichtigung der entsprechenden Evidenzgrundlage je nach Klassifikation S2k oder S3
Aufgabe der Steuergruppe
- Jährliche Prüfung des Aktualisierungsbedarfs, d.h.:
- Kontinuierliche Prüfung der aktuellen Literatur
- Bearbeitung und Integration von praxisrelevanten Themen aus der Selbstverwaltung
- Sicherstellung der Einhaltung der Leitlinienmethodik (z. B. Interessenskonflikte)
Kickoff-TreffenBevor die inhaltliche Leitlinienarbeit beginnt, legt die gesamte Leitliniengruppe, insbesondere die AG-Leitenden und Vertreter*innen der Fachgesellschaften sowie Patientenvertreter*innen, auf einem ersten Treffen folgende Punkte fest.
Agenda des Kickoffs
- Methodische Darstellung des Leitlinienverfahrens
- Darstellung der aktuellen Literatur (Überblick)
- Beteiligte Fachgesellschaften, ggf. Ergänzungen und AG-Besetzung
- Festlegung der Themengebiete/Schlüsselfragen/Endpunkte innerhalb der AGs
- Nur bei S3: Strategie zur Beantwortung der Schlüsselfragen
- Zeitplan und Arbeitsverteilung
Methodischer Ablauf des Leitlinienverfahrens
Mitarbeitende der DGVS Geschäftsstelle erläutern die Leitlinienmethodik inklusive des Interessenkonfliktmanagements (s. Interessenerklärungen und Interessenkonfliktmanagement)Darstellung der aktuellen Literatur
Die Koordinierenden recherchieren im Vorfeld die aktuelle Literatur insbesondere im Hinblick auf aktuelle deutsche/internationale Leitlinien und systematische Übersichtsarbeiten/Metaanalysen und prüfen, ob es thematisch überschneidende Leitlinien methodisch adäquate gibt, auf die verwiesen werden kann.
Beteiligte Fachgesellschaften und AG-Besetzung
Die AG-Besetzung wird der Leitliniengruppe präsentiert. Es soll gemeinsam überlegt und diskutiert werden, ob weitere wichtige Expert*innen mit eingebunden oder die Besetzung in den einzelnen AGs verändert werden sollen. Die AGs sollen ausgewogen besetzt werden (interdisziplinär, sektorenübergreifend, interprofessionell).
Festlegung der Themengebiete/Empfehlungen sowie der Endpunkte innerhalb der AGs
Die Koordinierenden stellen die Themengebiete pro Arbeitsgruppe zur Diskussion, die aufgrund einer neuen Datenlage oder aus Gründen der Versorgung ergänzt, überarbeitet, gestrichen oder übernommen werden sollen. Gemeinsam werdend die Themengebiete festgelegt. Zu diesem Zeitpunkt sollten bereits auch klinisch relevante Fragestellungen inklusive der Endpunkte festgelegt werden, da diese für die Konzeptionierung und Recherche zwingend notwendig sind. Dabei wird zwischen patient*innenbezogenen (krankheitsspezifische Mortalität, Morbidität und Lebensqualität) und populationsbasierten Endpunkten (z.B. Auftreten von Antibiotikaresistenzen oder Klimaverträglichkeit) unterschieden [5].
Zeitplan und Arbeitsverteilung
Tabelle: Zeitplan Leitlinienentwicklung nach Freigabe durch den Vorstand und Anmeldung
Die Koordinierenden erstellen einen Zeitplan, der gemeinsam verabschiedet wird (s. Tabelle).Schritt der Leitlinienerstellung Verantwortlicher Leitlinienabschnitt Konzeptionierung Koordinierende, AG-Leitung, Mandatsträger*innen
DGVS GeschäftsstelleKickoff-Treffen, Feststellen der Vollständigkeit der Leitliniengruppe, Gliederung, Themen, Zeitplan
Interessenkonfliktmanagement
Evidenzsynthese Koordinierende, AG-Leitung Festlegung der Schlüsselfragen nach PICO inklusive der wichtigen Endpunkte/Festlegen der einzubeziehenden Literatur AG-Leitung/zentral durch zu bestimmende Person Systematische Literaturrecherche (nur S3)/
individuelle Literaturrecherche (S2k)
AG-Leitung/zentral durch zu bestimmende Person Nur S3: Abstract-Screening¸ Volltext-Screening, Bewertung der Evidenz Leitlinienerstellung AGs Überarbeitung der bisherigen bzw. Formulierung neuer Empfehlungen/Statements incl. Hintergrundtexte auf Basis der systematischen(S3)/individuellen(S2k) Recherche Alle Delphi-Runde (Online-Kommentierung und Abstimmung) AGs Überarbeitung der Empfehlungen/ Statements auf Basis der Delphi-Kommentare Alle Konsensuskonferenz mit finaler Verabschiedung der Empfehlungen unter neutraler Moderation, Dokumentation wichtiger Diskussionspunkte AGs Fertigstellung der Manuskripte in den AGs Finalisierung Koordinierende Erstellung des Gesamt-Manuskripts mit Literaturliste Implementierung DGVS Geschäftsstelle Durchsicht und Freigabe durch die beteiligten Fachgesellschaften und deren Vertretende
Einreichung zur formalen Prüfung durch das AWMF-Institut für Medizinisches Wissensmanagement als Voraussetzung für die Publikation in der ZfG und weitere Implementierungsschritte
Das Kickoff-Treffen kann sowohl online oder vor Ort stattfinden und umfasst einen zeitlichen Rahmen von ca. 2 bis 3 Stunden.
Vorgehen bei Living GuidelineFür unterjährige Aktualisierungen während der Gültigkeit der Leitlinie (3 bis 5 Jahre) bleiben die benannten Koordinierenden und Mandatierten verantwortlich. Die Schritte Neubesetzung, Konzepterstellung, Kickoff-Treffen entfallen.
Die Steuergruppe prüft in einer jährlichen Videokonferenz, ob eine Aktualisierung notwendig ist. Bei Änderungsbedarf initiiert die Steuergruppe eine Aktualisierung wie nachfolgend beschrieben, eine erneute Anmeldung bei der AWMF ist nicht erforderlich.
- Videokonferenz der Steuergruppe zur Überprüfung des Aktualisierungsbedarfs
- Literaturrecherche
- Partielle Überarbeitung der Empfehlungen
- Online Abstimmung der Leitliniengruppe über die geänderten Empfehlungen und standardmäßige Abstimmung, dass alle anderen Empfehlungen ihre Gültigkeit behalten
- Leitlinie erhält den Status living guideline
Interessenerklärungen und InteressenkonfliktmanagementZum Schutz und für die Legitimation einer Leitlinie aber auch zum Schutz der Autor*innen ist eine Offenlegung der Interessen besonders wichtig.
Daher sind alle an der Erstellung einer Leitlinie (S2, S3) oder von Handlungsempfehlungen (S1) Beteiligten verpflichtet, ihre Interessen schriftlich mit Hilfe eines Formblattes zu erklären (Musterformular), das alle direkten, finanziellen und indirekten Interessen umfasst.
Die Interessenkonflikte, ebenso wie die Verpflichtung, sich „während der Leitlinienarbeit und so lange die Leitlinie gültig ist, nicht an Werbematerialien für Arzneimittel oder Medizinprodukten, die medizinischem Fachpersonal oder der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden“, zu beteiligen“ wird im Rahmen der Bewerbung bzw. spätestens im Rahmen des Einladungsverfahrens, erfasst.
Die Kategorisierung der Interessenkonflikte sowie daraus resultierenden Konsequenzen richten sich nach dem Regelwerk der AWMF (s. Tabelle) [5].
Tabelle: Kategorisierung der Interessenkonflikte mit dem jeweiligen Interessenkonfliktmanagement als Empfehlung der AWMF-Kommission Leitlinien [übernommen vom AWMF-Regelwerk 2.1: AWMF. Von der Planung bis zur Publikation – Das AWMF-Regelwerk Leitlinien – Version 2.1, 2023.]Ausprägung Interessenkonflikt Umstände für diese Kategorie Konsequenz Kein – – Gering* Einzelne Vorträge von der Industrie Limitierung von Leitungsfunktion insgesamt (Koordination, ggf. Peer) oder für die thematisch befasste AG (Leitung, ggf. Peer) Moderat* Tätigkeit in einem industriefinanzierten Advisory Board/Wiss. Beirat/als Gutachter Managementverantwortung industriefinanzierte Studie(n) Federführung bei Fort-/Weiterbildung mit direkter Industriefinanzierung Regelmäßige Vortragstätigkeit für best. Firmen
Aktienbesitz einzelner FirmenKeine Abstimmung für die thematisch relevanten Empfehlungen oder Doppelabstimmung Hoch Eigentumsinteresse
Arbeitsverhältnis bei der Industrie
Hoher Aktienbesitz einzelner FirmenKeine Teilnahme an thematisch relevanten Beratungen und keine Abstimmung *Kriterien zur Einschätzung der Relevanz
1: Ausprägung der Sekundärinteressen
Art der Zuwendung
Höhe der Zuwendung
Empfänger*innen2: Ausmaß des Konflikts
Art der Beziehung/Tätigkeit
Zeitraum der Beziehung/Tätigkeit
Kooperationspartner*innenDie Darlegung der Interessen, die Bewertung und das Management der Interessenkonflikte werden gemäß dem AWMF-Regelwerk im Leitlinienreport publiziert.
Darüber hinaus können Interessenkonflikte auch Einfluss auf die Leitlinienbesetzung haben und sollten daher, wenn möglich, schon in der Initiierungsphase berücksichtigt werden. Genaueres regelt das Weißpapier Interessenkonflikte (s. auch „Weißpapier zum Umgang mit Interessenkonflikten in Leitlinien der DGVS“).
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2. Evidenzsynthese
Vorgehen bei der S2k-LeitlinieNachdem die Themengebiete und Schlüsselfragen festgelegt worden sind, wird in den einzelnen Arbeitsgruppen eine Literaturrecherche durchgeführt.
Anschließend werden die Empfehlungen erstellt. Folgendes sollte hierbei beachtet werden:
- Die Stärke der Empfehlung ergibt sich aus der verwendeten Formulierung (soll/sollte/kann) entsprechend der Abstufung in der Tabelle.
- Eine Dokumentation der Literaturrecherche wird methodisch nicht gefordert
Beschreibung Syntax starke Empfehlung soll/soll nicht Empfehlung sollte/sollte nicht Empfehlung offen* kann erwogen werden/kann verzichtet werden *Bei der Bewertung nach GRADE fällt die offene Empfehlung weg.
Vorgehen bei der S3-LeitlinieAbbildung: Schritte der Literaturauswahl und Dokumentation
Zu den festgelegten Schlüsselfragen, die evidenzbasiert beantwortet werden, werden Suchstrings für die Literaturrecherche erstellt.
Darüber hinaus werden für die Recherche Ein- und Ausschlusskriterien wie Studiendesign, Sprache, Zeitraum und Kriterien entsprechend der Population sowie Intervention festgelegt und Datenbanken wie bspw. Medline (via Pubmed) ausgewählt. Anschließend erfolgen die Recherche und die Literaturauswahl mit Hilfe des Abstract- und Volltext-Screenings (s. Abbildung Schritte der Literaturauswahl und Dokumentation).
Aufgrund der Vielzahl der Fragestellungen in einer Leitlinie, empfiehlt sich in der Regel im ersten Schritt nach systematischen Übersichtsarbeiten bzw. Metaanalysen zu suchen. Finden sich keine thematisch passenden Arbeiten, die aktuell und methodisch gut sind, ist eine Suche nach Primärstudien erforderlich. Bei zeitnahen Aktualisierungen kann eine Suche nach Übersichtsarbeiten ggf. entfallen.
Schema der Evidenzbewertung
Die Literaturbewertung wird in den DGVS Leitlinien nach der Evidenzklassifizierung des Oxford Centre for Evidence-based Medicine 2011 durchgeführt (s. Tabelle und dort für die kritische Bewertung insbesondere die Kriterien zum „Down“ oder „Upgrade“). Möglich ist alternativ auch eine endpunktbezogene Bewertung nach GRADE („Grading of Recommendations, Assessment, Development and Evaluation“). Im ersten Schritt werden hier die für eine Entscheidung wichtigsten Nutzen- und Schaden-Endpunkte von der Leitliniengruppe festgelegt. Bei der GRADE-Bewertung wird die Qualität der Evidenz bezogen auf die einzelnen Endpunkte in vier Stufen (hohe, moderate, niedrige und sehr niedrige Qualität) bewertet und somit eine standardisierte Bewertung der Qualität der gesamten Evidenz ermöglicht. Aspekte, die in diese Bewertung einfließen sind das Verzerrungsrisiko der Studien (interne Validität), Konsistenz, Heterogenität, Indirektheit und Publikationsbias.
Zur Beurteilung der internen Validität einer Studie ist die Anwendung von Checklisten hilfreich, wie sie z. B. SIGN zur Verfügung stellt. Die methodische Durchführungsqualität systematischer Übersichtsarbeiten wird mit dem Instrument AMSTAR (ggf. AMSTAR II) bewertet (siehe: SIGN Checklisten und AMSTAR II)
Die Details zur Suche, Auswahl und Bewertung der Evidenz müssen dokumentiert werden:
- Schlüsselfrage: tabellarisch (s. Tabelle 1, Vorlage als Download erhältlich)
- Suchstring: tabellarisch (s. Tabelle 2)
- Auswahl der Evidenz: PRISMA Flow Chart (s. Abbildung unten, Vorlage als Download erhältlich)
- Bewertung der Evidenz: Evidenztabelle (s. Tabelle 3)
Patient Intervention Comparator Outcome Komplementär Patient mit CED* Stadium X Komplementärtherapie keine Komplementärtherapie Anteil Remissionsinduktion
Unerwünschte Wirkungen*CED, chronisch entzündliche Darmerkrankung
Search Hits (((((((crohn disease[MeSH Terms]) OR crohn disease[Title/Abstract]) OR crohn's disease[Title/Abstract]) OR Inflammatory Bowel Disease 1[Title/Abstract]) OR Colitis, Granulomatous[Title/Abstract]) OR Ileitis, Terminal[Title/Abstract]) OR Terminal Ileitis[Title/Abstract] OR (inflammatory bowel disease[Title/Abstract]) OR inflammatory bowel diseases[Title/Abstract]) OR inflammatory bowel disease[mh:noexp]) AND ((Complementary Therapies[MeSH Terms]) OR Complementary Therapies[Title/Abstract] OR Alternative Medicine[Title/Abstract] OR Alternative Therapies[Title/Abstract] OR Therapies, Alternative[Title/Abstract] OR Complementary Medicine[Title/Abstract] OR Therapies, Complementary[Title/Abstract])
Filters: Randomized Controlled Trial, Systematic Reviews, From 2012/06/02 to 2020/12/31, Humans
55 Date Run: 31.12.20 Cave: Informationswissenschaftlerinnen raten von den Filtern in Medline (Pubmed) für die definitive Suche ab, außer von dem für systematische Übersichtsarbeiten („systematic review“), da dieser validiert ist. Artikel (Autor, Jahr) / Studientyp Anzahl der Patienten / Patientenmerkmale Vergleichsintervention Outcomes Ergebnisse Evidenzklasse Bemerkungen Jensen MD et al. Scand J
Gastroenterol 2011
Cohort Studyn=83
Patients with suspected Crohn´s disease
Age 16-71 yr (median: 30)Endoscopic / histological / surgical diagnosis 1. Sensitivity & Specificity (?)
2. Subgroup analysis according to disease location
3. Correlation with CRP1. Sens. 0.95 (0.83-0.99) Spec. 0.56 (0.4-0.71)
2. Colon, Small bowel not significantly different
3. Poor correlation with CRP1b – Sometimes stool sample after endoscopy
– not clear if predifined primary endpoint
SIGN checklist: ++Abbildung: Darstellung PRISMA Flow Chart (Beispiel)
*Ausschlussgründe sollen zumindest auf Volltextebene dokumentiert und im Leitlinienreport dargestellt werden.
siehe auch Systematische Literatursuche und Evidenzbewertung in der Leitlinienmediathek
Schema der Empfehlungsgraduierung
Bei der Überführung der Evidenzstärke in die Empfehlungsstärke werden Kriterien wie die Konsistenz der Studienergebnisse, die klinische und Patient*innen-Relevanz der Endpunkte, das Nutzen-Risiko-Verhältnis, die Patient*innenpräferenzen oder die Anwendbarkeit der Methode berücksichtigt, die zu einer Auf- bzw. Abwertung des Empfehlungsgrads gegenüber dem Evidenzgrad führen kann.
Die Graduierung der Empfehlungen erfolgte über die Formulierung soll, sollte, kann erwogen werden (s. Tabelle).
Empfehlungsgrad (nur S3)* Beschreibung Syntax A starke Empfehlung soll/soll nicht B Empfehlung sollte/sollte nicht 0 Empfehlung offen kann erwogen werden/kann verzichtet werden *Der Empfehlungsgrad sowie der Evidenzgrad werden nur bei evidenzbasierten Empfehlungen angegeben. Bei Expertenkonsensbasierten Empfehlungen erfolgt die Graduierung über soll/sollte/kann und über die in der Tabelle angegebene Beschreibung. Expertenkonsens
Als Expertenkonsens werden Empfehlungen bezeichnet, zu denen keine systematische Recherche nach Literatur durchgeführt wurde oder bei einer entsprechenden Recherche keine passende Literatur zu finden war. Die Graduierung der Empfehlung ergibt sich bei Empfehlungen im Expertenkonsens ausschließlich aus der verwendeten Formulierung (soll/sollte/kann) entsprechend der Abstufung in der oben stehenden Tabelle. Gleiches gilt für S2k-Leitlinien.Übernahme von Leitlinienempfehlungen oder Verweis auf LeitlinienS2k: Empfehlungen können aus Leitlinien adaptiert werden. Die Stärke der Empfehlung ergibt sich auch hier aus der verwendeten Formulierung (soll/sollte/kann) entsprechend der Abstufung in Tabelle 2.
S3: Existierende Leitlinien müssen, wenn Empfehlungen adaptiert werden sollen, auf ihre methodische Qualität überprüft und ggf. in einer Leitliniensynopse dargestellt werden. Darüber hinaus muss geprüft werden, ob zusätzliche Aktualisierungsrecherchen erforderlich sind. Abweichungen der übernommenen Empfehlungen sollten begründet werden.
Grundsätzlich wird aufgrund der zeitversetzten Aktualisierungen empfohlen, auf die entsprechende Leitlinie lediglich zu verweisen.
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3. Leitlinienerstellung
Erstellung der Empfehlungen/StatementsDie Empfehlungen werden auf Basis der individuell (S2k) oder systematisch (S3) recherchierten Literatur erstellt/überarbeitet. Hierbei sollte Folgendes beachtet werden:
- Einheitliche Formulierung
- Die Empfehlungen sollten versorgungsrelevant, praxisorientiert und umsetzbar sein.
- Jede Definition, Statement oder Empfehlung wird mit einem entsprechenden Hintergrundtext und Literaturverweisen versehen.
- Auf Statements sollte möglichst verzichtet werden. Es empfiehlt sich eine Unterscheidung zwischen Statement und Empfehlung:
Statements
Als Statements werden Darlegungen oder Erläuterungen von spezifischen Sachverhalten oder Fragestellungen ohne unmittelbare Handlungsaufforderung bezeichnet. Sie können entweder auf Studienergebnissen oder auf Expertenmeinungen beruhen. Cave: Statements als „Ist-Aussagen“ sind u.U. justiziabel.
Empfehlungen
Empfehlungen sind versorgungsrelevante und praxisorientierte Handlungsaufforderungen.
Eine Vorlage für die Erstellung der Empfehlungen steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.
Erstellung Hintergrundtext- Eine Erläuterung und Begründung der Empfehlung sollte in einem Hintergrundtext zur Empfehlung mit Abwägung von Nutzen und Schaden und ggf. weiterer Kriterien (siehe Erstellung der Empfehlungen) dokumentiert werden.
- Der Hintergrundtext sollte nicht länger als eine halbe Seite sein.
- Die Hintergrundtexte können auch noch nach der Konsensuskonferenz finalisiert werden, sollten jedoch bis zur Delphi-Abstimmung zumindest stichpunktartig vorliegen
Delphi-AbstimmungAlle Empfehlungen, auch die Empfehlungen, die unverändert aus einer alten Leitlinie übernommen werden, werden vor Konsensuskonferenzen in einem Delphiverfahren mittels Online-Survey von allen Leitlinienmitgliedern mithilfe einer 3-stufigen Entscheidungsskala unter Beachtung des Interessenkonfliktmanagements abgestimmt (ja, nein, Enthaltung).
Zu Empfehlungen, die nicht mit ja abgestimmt werden, muss ein begründender Kommentar hinterlegt werden. Empfehlungen, die zu über 95% mit ja abgestimmt wurden, gelten als verabschiedet. Alle anderen Empfehlungen müssen überarbeitet und in der Konsensuskonferenz erneut abgestimmt werden.
Die Kommentare und Änderungsvorschläge aus der Delphi-Abstimmung werden den Koordinierenden und der AG-Leitung zur Überarbeitung zur Verfügung gestellt.
Um den Umfang der in der Konsensuskonferenz abzustimmenden Empfehlungen/Statements zu reduzieren, kann es sinnvoll sein, eine zweite Delphi-Abstimmung durchzuführen.
KonsensuskonferenzIn einer strukturierten Konsensuskonferenz (Online/Präsenz) unter unabhängiger Moderation werden die überarbeiteten Empfehlungen von der AG-Leitung vorgestellt. Die Empfehlungen werden nach den Prinzipien der National Institutes of Health Konferenz besprochen und abgestimmt: Präsentation im Gesamtplenum unter Berücksichtigung der Kommentare und ggf. Erläuterungen durch die AG-Leitung, Aufnahme von Stellungnahmen und ggf. Änderung, Abstimmung, bei Bedarf erneute Diskussion, Festschreiben des Ergebnisses.
Im Detail werden diskutiert und abgestimmt:
- alle Empfehlungen, die in der Delphirunde weniger als 95 % Zustimmung erhalten hatten
- Empfehlungen, die nach der Delphirunde nochmals inhaltlich verändert wurden
- Empfehlungen, die bereits in der Delphirunde verabschiedet worden waren, aber aufgrund von Dopplungen oder zur Verbesserung der inhaltlichen Stringenz der Leitlinie in den Kommentar verschoben wurden
- Empfehlungen, die in der Delphirunde nicht verabschiedet wurden und in den Kommentarteil verschoben werden sollen
- neue Empfehlungen
Empfehlungen, die aus zeitlichen Gründen nicht in der Konsensuskonferenz abgestimmt werden können, können in einer abschließenden Delphi-Abstimmung abgestimmt werden.
Die Konsensusstärke wird gemäß der Tabelle festgelegt. Als angenommen gelten Empfehlungen im Konsens mit > 75 %.
Tabelle: Einteilung der KonsensstärkeKonsens % Zustimmung Starker Konsens > 95 Konsens > 75 – 95 Mehrheitliche Zustimmung > 50 – 75 Keine mehrheitliche Zustimmung ≤ 50 Wird für eine Empfehlung kein Konsens erzielt, gibt es die Möglichkeit der Dissensdarstellung.
In begründeten Einzelfällen kann auch bei verabschiedeter Empfehlung ein Sondervotum beantragt werden durch eine oder mehrere Fachgesellschaften.Im Anschluss an die Konsensuskonferenz erfolgte die finale Überarbeitung der Hintergrundtexte durch die AG-Leiter*innen.
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4. Finalisierung
Redaktionelle ZusammenstellungSobald die finalen Manuskripte der AGs vorliegen, erfolgt die redaktionelle Zusammenstellung der Leitlinie durch die Koordinierenden. Dabei sollte Folgendes beachtet werden:
- Einheitliches Wording, insbesondere Abkürzungen
- Einheitliche Formatierung
- Zusammenführung der Literatur in einem Literaturverzeichnis
- Überprüfung der Empfehlungsgraduierung
Der dazugehörige Leitlinienreport wird von der DGVS Geschäftsstelle erstellt.
QualitätsindikatorenDie Qualität der ärztlichen Tätigkeit ist von zahlreichen Faktoren abhängig. Insbesondere die Prozessqualität ist durch ärztliches Handeln direkt beeinflussbar. Eine große Herausforderung ist es dabei, dem steten wissenschaftlichen Fortschritt in der Praxis zu folgen. Die wissenschaftlichen Standards in der Gastroenterologie werden in DGVS Leitlinien definiert und regelmäßig überarbeitet. Die Umsetzung der vielfältigen evidenzbasierten Empfehlungen in die Praxis bleibt aber anspruchsvoll. Daher kann durch eine zuvor festgelegte AG eine Auswahl von Empfehlungen, deren breite Umsetzung zu einer verbesserten Patientenversorgung in der Gastroenterologie beitragen würde, und deren Kennzeichnung als Qualitätsindikatoren erfolgen. Die ausgewählten Empfehlungen werden in der Leitlinie mit dem Hinweis „empfohlen als QI“ versehen oder in einem gesonderten Abschnitt im Sinne von Qualitätsindikatoren mit Zähler und Nenner formuliert.
FreigabeverfahrenSobald die Leitlinie und der Leitlinienreport final vorliegen, werden beide Dokumente als Konsultationsfassung für zwei bis vier Wochen zur Kommentierung für die Fachöffentlichkeit auf der DGVS und AWMF Website online gestellt. Parallel erhalten die beteiligten Fachgesellschaften und die AWMF die Leitlinie zur Freigabe. Eine Verbreitung der Inhalte der Konsultationsfassung durch Dritte ist nicht gestattet.
Alle Anmerkungen und Hinweise werden in der DGVS Geschäftsstelle gesammelt und in einer Übersichtstabelle zusammengestellt. Die Leitlinie wird anschließend anhand der eingegangenen Kommentare durch die Koordinierenden in Abstimmung mit den AG-Leitenden überprüft und überarbeitet. Die überarbeitete Fassung wird noch einmal final durch die AWMF freigegeben.
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5. Implementierung
Mit der finalen Freigabe der AWMF wird die Leitlinie, inkl. Leitlinienreport, auf der DGVS und AWMF Website veröffentlicht. Parallel wird die Leitlinie zur Publikation in der Zeitschrift für Gastroenterologie eingereicht.
Die DGVS unterstützt die Verbreitung und Implementierung der Leitlinien durch Newsletter, Social Media und Podcast der DGVS sowie die Ausrichtung von Leitlinienseminaren und Leitliniensitzungen im Rahmen des Jahreskongresses Viszeralmedizin.
Sämtliche anderen Versionen oder Kurzformen oder Auszüge von Leitlinien müssen durch den Vorstand der DGVS und die Koordinierenden autorisiert werden. Leitlinien, die in der Verantwortung der DGVS erstellt wurden, stellen geistiges Eigentum der DGVS und der von ihr beauftragten Leitlinienverantwortlichen dar. (Siehe auch Primärpublikation und Sekundärverwertung von Leitlinien der DGVS)
Englische ÜbersetzungUm die Bekanntheit der Leitlinie zu steigern, unterstützt und befürwortet die DGVS eine englische Übersetzung der Leitlinie. Die Koordinierenden können Gelder für eine Übersetzung im Rahmen der initialen Budgetplanung beantragen.
1. Initiierung
Um die Besetzung von Leitlinien transparent und divers zu gestalten und kontinuierlich anzupassen, werden neue Leitlinien und Leitlinien nach Ablauf der Gültigkeit online und / oder in der Zeitschrift für Gastroenterologie (ZfG) zur Bewerbung ausgeschrieben. Bewerbungen sind jederzeit oder nach Ausschreibung möglich. Der Vorstand der DGVS benennt unter besonderer Beachtung von Gleichstellung, aktivem Dienst und COI zwei Koordinierende. Die Kriterien für die Bewerbung und die Auswahl der Kandidierenden sind im Weißpapier Leitlinienbesetzung festgelegt.
Nach Benennung durch den Vorstand erarbeiten die Koordinierenden ein Leitlinienkonzept.
Vorüberlegungen: Anders als bei anderen Formen aggregierter Evidenz (Systematic reviews (SR), Metaanalysen (MA)), stellt die Leitlinie nicht nur den aktuellen Erkenntnisstand dar, sondern bewertet darüber hinaus die vorhandene Evidenz aus klinischer Sicht und leitet daraus konkrete Handlungsempfehlungen ab. Da dies ein Ressourcen-aufwendiger Prozess ist, ist es wichtig zunächst zu überlegen, wie die Leitlinie aufgebaut sein soll:
- In einer Bedarfsanalyse sollte vorab festgestellt werden, welche Themengebiete in der Leitlinie abgehandelt werden sollen. Der Fokus sollte dabei auf einer Verbesserung der Versorgung liegen.
- Adressat*innen (Anwender*innen, Patient*innen, Versorgungsbereich, Weitere), an die sich die Leitlinie wendet, sollten auch an der Leitlinienentwicklung beteiligt werden.
- Es sollte vorher festgelegt werden, auf welche Art der Evidenzbasierung zurückgegriffen werden soll. S3-Leitlinien bedürfen einer systematischen Literaturrecherche mit anschließender kritischer Bewertung der eingeschlossenen Literatur mit entsprechender Dokumentation, die um ein Vielfaches aufwendiger ist als eine Literaturrecherche im Rahmen einer S2k-Leitlinie. Aber auch in S3-Leitlinien sollten im Vorfeld die Fragestellungen (Schlüsselfragen) identifiziert werden, für die eine systematische Recherche sinnvoll ist. Dies macht besonders dann Sinn, wenn hochwertige Evidenz für die Beantwortung besonders kritischer oder wichtiger Fragestellungen vorhanden ist. Seitens der AWMF wird empfohlen, mindestens die Hälfte der Fragestellungen in S3-Leitlinien formal evidenzbasiert zu unterlegen. Bei der Auswahl der Stufenklassifikation ist auch zu bedenken, dass in verbindlichen Richtlinien ausschließlich S3-Leitlinien berücksichtigt werden (normative Relevanz).
(s. Abbildung 2 im AWMF-Regelwerk Leitlinien: Formulierung von klinisch relevanten Fragestellungen, Priorisierung von Endpunkten) [4]
Das Konzept sollte folgende Punkte beinhalten (Vorlage als Download erhältlich):
- Titel und Begründung der geplanten Entwicklungsstufe der Leitlinie (S2k oder S3)
- Benennung der Patienten*innenzielgruppe, der Anwender*innenzielgruppe und des Versorgungsbereiches
- Benennung der zu beteiligenden Fachgesellschaften, Patientenvertreter*innen und Interessengruppen im Hinblick auf die Anwender*innenzielgruppe und den Versorgungsbereich
- Vorschlag der Steuergruppe (s. Weißpapier Steuergruppe)
- Vorschlag der AG-Besetzung (interdisziplinär, Berücksichtigung von Interessenkonflikten, s. hierzu auch Interessenerklärungen und Interessenkonfliktmanagement)
- Inhaltliche Gliederung und Bezug zu existierenden (DGVS-)Leitlinien
- Zeitplan (Konstituierendes Treffen, Konsensuskonferenz(en))
Das Konzept wird durch den Vorstand freigegeben.
Nachdem das Konzept vorliegt und freigegeben ist, wird das Leitlinienprojekt im AWMF-Leitlinienregister von der DGVS Geschäftsstelle angemeldet und es werden alle zu beteiligenden Expert*innen und Fachgesellschaften bzw. Organisationen durch die DGVS Geschäftsstelle eingeladen. Folgende Aufgabenverteilung sollte berücksichtigt werden.
Aufgabe der Koordinierenden
- Darstellung des aktuellen Stands der Literatur (existierende Leitlinien, Metaanalysen, systematische Übersichtsarbeiten, wenn nicht vorhanden, auch Primärliteratur)
- Festlegung der Themengebiete, die aufgrund einer neuen Datenlage oder aus Gründen der Versorgung ergänzt, überarbeitet, gestrichen oder übernommen werden sollen.
- Erstellung und Festlegung der Themengebiete und Schlüsselfragen mit Blick auf die Versorgungsrelevanz
- besondere klinische Bedeutung
- besonders kontroverse Datenlage
- besonders häufige fehlerhafte Anwendung
- nur S3: Organisation der Literatursuche und -bewertung
- Einholung und Bewertung der Interessenserklärungen
- Erstellung des Gesamtmanuskripts
Aufgabe der AG-Leitung
- Bei S2k: in Abstimmung mit den Koordinierenden
- Ggf. Ergänzung der Themengebiete
- Literaturrecherche
- Bei S3: in Abstimmung mit den Koordinierenden
- Ggf. Ergänzung der Themengebiete und Schlüsselfragen
- Systematische Literaturrecherche (Erstellung von Suchstrings, Literatursuche, -auswahl und -bewertung, Dokumentation der einzelnen Schritte)
- Koordination der Erstellung der Empfehlungen/Statements und Hintergrundtexte innerhalb der Arbeitsgruppe
Aufgabe der AG-Mitglieder
- Unterstützung der AG-Leitung
- So wie von AG-Leitung festgelegt: Erstellung der Empfehlungen/Statements/Hintergrundtexte unter Berücksichtigung der entsprechenden Evidenzgrundlage je nach Klassifikation S2k oder S3
Aufgabe der Steuergruppe
- Jährliche Prüfung des Aktualisierungsbedarfs, d.h.:
- Kontinuierliche Prüfung der aktuellen Literatur
- Bearbeitung und Integration von praxisrelevanten Themen aus der Selbstverwaltung
- Sicherstellung der Einhaltung der Leitlinienmethodik (z. B. Interessenskonflikte)
Bevor die inhaltliche Leitlinienarbeit beginnt, legt die gesamte Leitliniengruppe, insbesondere die AG-Leitenden und Vertreter*innen der Fachgesellschaften sowie Patientenvertreter*innen, auf einem ersten Treffen folgende Punkte fest.
Agenda des Kickoffs
- Methodische Darstellung des Leitlinienverfahrens
- Darstellung der aktuellen Literatur (Überblick)
- Beteiligte Fachgesellschaften, ggf. Ergänzungen und AG-Besetzung
- Festlegung der Themengebiete/Schlüsselfragen/Endpunkte innerhalb der AGs
- Nur bei S3: Strategie zur Beantwortung der Schlüsselfragen
- Zeitplan und Arbeitsverteilung
Methodischer Ablauf des Leitlinienverfahrens
Mitarbeitende der DGVS Geschäftsstelle erläutern die Leitlinienmethodik inklusive des Interessenkonfliktmanagements (s. Interessenerklärungen und Interessenkonfliktmanagement)
Darstellung der aktuellen Literatur
Die Koordinierenden recherchieren im Vorfeld die aktuelle Literatur insbesondere im Hinblick auf aktuelle deutsche/internationale Leitlinien und systematische Übersichtsarbeiten/Metaanalysen und prüfen, ob es thematisch überschneidende Leitlinien methodisch adäquate gibt, auf die verwiesen werden kann.
Beteiligte Fachgesellschaften und AG-Besetzung
Die AG-Besetzung wird der Leitliniengruppe präsentiert. Es soll gemeinsam überlegt und diskutiert werden, ob weitere wichtige Expert*innen mit eingebunden oder die Besetzung in den einzelnen AGs verändert werden sollen. Die AGs sollen ausgewogen besetzt werden (interdisziplinär, sektorenübergreifend, interprofessionell).
Festlegung der Themengebiete/Empfehlungen sowie der Endpunkte innerhalb der AGs
Die Koordinierenden stellen die Themengebiete pro Arbeitsgruppe zur Diskussion, die aufgrund einer neuen Datenlage oder aus Gründen der Versorgung ergänzt, überarbeitet, gestrichen oder übernommen werden sollen. Gemeinsam werdend die Themengebiete festgelegt. Zu diesem Zeitpunkt sollten bereits auch klinisch relevante Fragestellungen inklusive der Endpunkte festgelegt werden, da diese für die Konzeptionierung und Recherche zwingend notwendig sind. Dabei wird zwischen patient*innenbezogenen (krankheitsspezifische Mortalität, Morbidität und Lebensqualität) und populationsbasierten Endpunkten (z.B. Auftreten von Antibiotikaresistenzen oder Klimaverträglichkeit) unterschieden [5].
Zeitplan und Arbeitsverteilung
Die Koordinierenden erstellen einen Zeitplan, der gemeinsam verabschiedet wird (s. Tabelle).
Schritt der Leitlinienerstellung | Verantwortlicher | Leitlinienabschnitt |
---|---|---|
Konzeptionierung | Koordinierende, AG-Leitung, Mandatsträger*innen DGVS Geschäftsstelle | Kickoff-Treffen, Feststellen der Vollständigkeit der Leitliniengruppe, Gliederung, Themen, Zeitplan Interessenkonfliktmanagement |
Evidenzsynthese | Koordinierende, AG-Leitung | Festlegung der Schlüsselfragen nach PICO inklusive der wichtigen Endpunkte/Festlegen der einzubeziehenden Literatur |
AG-Leitung/zentral durch zu bestimmende Person | Systematische Literaturrecherche (nur S3)/ individuelle Literaturrecherche (S2k) |
|
AG-Leitung/zentral durch zu bestimmende Person | Nur S3: Abstract-Screening¸ Volltext-Screening, Bewertung der Evidenz | |
Leitlinienerstellung | AGs | Überarbeitung der bisherigen bzw. Formulierung neuer Empfehlungen/Statements incl. Hintergrundtexte auf Basis der systematischen(S3)/individuellen(S2k) Recherche |
Alle | Delphi-Runde (Online-Kommentierung und Abstimmung) | |
AGs | Überarbeitung der Empfehlungen/ Statements auf Basis der Delphi-Kommentare | |
Alle | Konsensuskonferenz mit finaler Verabschiedung der Empfehlungen unter neutraler Moderation, Dokumentation wichtiger Diskussionspunkte | |
AGs | Fertigstellung der Manuskripte in den AGs | |
Finalisierung | Koordinierende | Erstellung des Gesamt-Manuskripts mit Literaturliste |
Implementierung | DGVS Geschäftsstelle | Durchsicht und Freigabe durch die beteiligten Fachgesellschaften und deren Vertretende Einreichung zur formalen Prüfung durch das AWMF-Institut für Medizinisches Wissensmanagement als Voraussetzung für die Publikation in der ZfG und weitere Implementierungsschritte |
Das Kickoff-Treffen kann sowohl online oder vor Ort stattfinden und umfasst einen zeitlichen Rahmen von ca. 2 bis 3 Stunden.
Für unterjährige Aktualisierungen während der Gültigkeit der Leitlinie (3 bis 5 Jahre) bleiben die benannten Koordinierenden und Mandatierten verantwortlich. Die Schritte Neubesetzung, Konzepterstellung, Kickoff-Treffen entfallen.
Die Steuergruppe prüft in einer jährlichen Videokonferenz, ob eine Aktualisierung notwendig ist. Bei Änderungsbedarf initiiert die Steuergruppe eine Aktualisierung wie nachfolgend beschrieben, eine erneute Anmeldung bei der AWMF ist nicht erforderlich.
- Videokonferenz der Steuergruppe zur Überprüfung des Aktualisierungsbedarfs
- Literaturrecherche
- Partielle Überarbeitung der Empfehlungen
- Online Abstimmung der Leitliniengruppe über die geänderten Empfehlungen und standardmäßige Abstimmung, dass alle anderen Empfehlungen ihre Gültigkeit behalten
- Leitlinie erhält den Status living guideline
Zum Schutz und für die Legitimation einer Leitlinie aber auch zum Schutz der Autor*innen ist eine Offenlegung der Interessen besonders wichtig.
Daher sind alle an der Erstellung einer Leitlinie (S2, S3) oder von Handlungsempfehlungen (S1) Beteiligten verpflichtet, ihre Interessen schriftlich mit Hilfe eines Formblattes zu erklären (Musterformular), das alle direkten, finanziellen und indirekten Interessen umfasst.
Die Interessenkonflikte, ebenso wie die Verpflichtung, sich „während der Leitlinienarbeit und so lange die Leitlinie gültig ist, nicht an Werbematerialien für Arzneimittel oder Medizinprodukten, die medizinischem Fachpersonal oder der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden“, zu beteiligen“ wird im Rahmen der Bewerbung bzw. spätestens im Rahmen des Einladungsverfahrens, erfasst.
Die Kategorisierung der Interessenkonflikte sowie daraus resultierenden Konsequenzen richten sich nach dem Regelwerk der AWMF (s. Tabelle) [5].
Tabelle: Kategorisierung der Interessenkonflikte mit dem jeweiligen Interessenkonfliktmanagement als Empfehlung der AWMF-Kommission Leitlinien [übernommen vom AWMF-Regelwerk 2.1: AWMF. Von der Planung bis zur Publikation – Das AWMF-Regelwerk Leitlinien – Version 2.1, 2023.]Ausprägung Interessenkonflikt | Umstände für diese Kategorie | Konsequenz |
---|---|---|
Kein | – | – |
Gering* | Einzelne Vorträge von der Industrie | Limitierung von Leitungsfunktion insgesamt (Koordination, ggf. Peer) oder für die thematisch befasste AG (Leitung, ggf. Peer) |
Moderat* | Tätigkeit in einem industriefinanzierten Advisory Board/Wiss. Beirat/als Gutachter Managementverantwortung industriefinanzierte Studie(n) Federführung bei Fort-/Weiterbildung mit direkter Industriefinanzierung Regelmäßige Vortragstätigkeit für best. Firmen Aktienbesitz einzelner Firmen | Keine Abstimmung für die thematisch relevanten Empfehlungen oder Doppelabstimmung |
Hoch | Eigentumsinteresse Arbeitsverhältnis bei der Industrie Hoher Aktienbesitz einzelner Firmen | Keine Teilnahme an thematisch relevanten Beratungen und keine Abstimmung |
*Kriterien zur Einschätzung der Relevanz | 1: Ausprägung der Sekundärinteressen Art der Zuwendung Höhe der Zuwendung Empfänger*innen | 2: Ausmaß des Konflikts Art der Beziehung/Tätigkeit Zeitraum der Beziehung/Tätigkeit Kooperationspartner*innen |
Die Darlegung der Interessen, die Bewertung und das Management der Interessenkonflikte werden gemäß dem AWMF-Regelwerk im Leitlinienreport publiziert.
Darüber hinaus können Interessenkonflikte auch Einfluss auf die Leitlinienbesetzung haben und sollten daher, wenn möglich, schon in der Initiierungsphase berücksichtigt werden. Genaueres regelt das Weißpapier Interessenkonflikte (s. auch „Weißpapier zum Umgang mit Interessenkonflikten in Leitlinien der DGVS“).
2. Evidenzsynthese
Nachdem die Themengebiete und Schlüsselfragen festgelegt worden sind, wird in den einzelnen Arbeitsgruppen eine Literaturrecherche durchgeführt.
Anschließend werden die Empfehlungen erstellt. Folgendes sollte hierbei beachtet werden:
- Die Stärke der Empfehlung ergibt sich aus der verwendeten Formulierung (soll/sollte/kann) entsprechend der Abstufung in der Tabelle.
- Eine Dokumentation der Literaturrecherche wird methodisch nicht gefordert
Beschreibung | Syntax |
---|---|
starke Empfehlung | soll/soll nicht |
Empfehlung | sollte/sollte nicht |
Empfehlung offen* | kann erwogen werden/kann verzichtet werden |
*Bei der Bewertung nach GRADE fällt die offene Empfehlung weg.
Abbildung: Schritte der Literaturauswahl und Dokumentation
Zu den festgelegten Schlüsselfragen, die evidenzbasiert beantwortet werden, werden Suchstrings für die Literaturrecherche erstellt.
Darüber hinaus werden für die Recherche Ein- und Ausschlusskriterien wie Studiendesign, Sprache, Zeitraum und Kriterien entsprechend der Population sowie Intervention festgelegt und Datenbanken wie bspw. Medline (via Pubmed) ausgewählt. Anschließend erfolgen die Recherche und die Literaturauswahl mit Hilfe des Abstract- und Volltext-Screenings (s. Abbildung Schritte der Literaturauswahl und Dokumentation).
Aufgrund der Vielzahl der Fragestellungen in einer Leitlinie, empfiehlt sich in der Regel im ersten Schritt nach systematischen Übersichtsarbeiten bzw. Metaanalysen zu suchen. Finden sich keine thematisch passenden Arbeiten, die aktuell und methodisch gut sind, ist eine Suche nach Primärstudien erforderlich. Bei zeitnahen Aktualisierungen kann eine Suche nach Übersichtsarbeiten ggf. entfallen.
Schema der Evidenzbewertung
Die Literaturbewertung wird in den DGVS Leitlinien nach der Evidenzklassifizierung des Oxford Centre for Evidence-based Medicine 2011 durchgeführt (s. Tabelle und dort für die kritische Bewertung insbesondere die Kriterien zum „Down“ oder „Upgrade“). Möglich ist alternativ auch eine endpunktbezogene Bewertung nach GRADE („Grading of Recommendations, Assessment, Development and Evaluation“). Im ersten Schritt werden hier die für eine Entscheidung wichtigsten Nutzen- und Schaden-Endpunkte von der Leitliniengruppe festgelegt. Bei der GRADE-Bewertung wird die Qualität der Evidenz bezogen auf die einzelnen Endpunkte in vier Stufen (hohe, moderate, niedrige und sehr niedrige Qualität) bewertet und somit eine standardisierte Bewertung der Qualität der gesamten Evidenz ermöglicht. Aspekte, die in diese Bewertung einfließen sind das Verzerrungsrisiko der Studien (interne Validität), Konsistenz, Heterogenität, Indirektheit und Publikationsbias.
Zur Beurteilung der internen Validität einer Studie ist die Anwendung von Checklisten hilfreich, wie sie z. B. SIGN zur Verfügung stellt. Die methodische Durchführungsqualität systematischer Übersichtsarbeiten wird mit dem Instrument AMSTAR (ggf. AMSTAR II) bewertet (siehe: SIGN Checklisten und AMSTAR II)
Die Details zur Suche, Auswahl und Bewertung der Evidenz müssen dokumentiert werden:
- Schlüsselfrage: tabellarisch (s. Tabelle 1, Vorlage als Download erhältlich)
- Suchstring: tabellarisch (s. Tabelle 2)
- Auswahl der Evidenz: PRISMA Flow Chart (s. Abbildung unten, Vorlage als Download erhältlich)
- Bewertung der Evidenz: Evidenztabelle (s. Tabelle 3)
Tabelle 1: Darstellung einer Schlüsselfrage nach dem PICO-Schema (Beispiel)
Patient | Intervention | Comparator | Outcome | |
---|---|---|---|---|
Komplementär | Patient mit CED* Stadium X | Komplementärtherapie | keine Komplementärtherapie | Anteil Remissionsinduktion Unerwünschte Wirkungen |
*CED, chronisch entzündliche Darmerkrankung
Tabelle 2: Darstellung Suchstring (Beispiel)
Search | Hits |
---|---|
(((((((crohn disease[MeSH Terms]) OR crohn disease[Title/Abstract]) OR crohn's disease[Title/Abstract]) OR Inflammatory Bowel Disease 1[Title/Abstract]) OR Colitis, Granulomatous[Title/Abstract]) OR Ileitis, Terminal[Title/Abstract]) OR Terminal Ileitis[Title/Abstract] OR (inflammatory bowel disease[Title/Abstract]) OR inflammatory bowel diseases[Title/Abstract]) OR inflammatory bowel disease[mh:noexp]) AND ((Complementary Therapies[MeSH Terms]) OR Complementary Therapies[Title/Abstract] OR Alternative Medicine[Title/Abstract] OR Alternative Therapies[Title/Abstract] OR Therapies, Alternative[Title/Abstract] OR Complementary Medicine[Title/Abstract] OR Therapies, Complementary[Title/Abstract]) Filters: Randomized Controlled Trial, Systematic Reviews, From 2012/06/02 to 2020/12/31, Humans | 55 |
Date Run: 31.12.20 | |
Cave: Informationswissenschaftlerinnen raten von den Filtern in Medline (Pubmed) für die definitive Suche ab, außer von dem für systematische Übersichtsarbeiten („systematic review“), da dieser validiert ist. |
Tabelle 3: Darstellung Evidenztabelle (Beispiel)
Artikel (Autor, Jahr) / Studientyp | Anzahl der Patienten / Patientenmerkmale | Vergleichsintervention | Outcomes | Ergebnisse | Evidenzklasse | Bemerkungen |
---|---|---|---|---|---|---|
Jensen MD et al. Scand J Gastroenterol 2011 Cohort Study | n=83 Patients with suspected Crohn´s disease Age 16-71 yr (median: 30) | Endoscopic / histological / surgical diagnosis | 1. Sensitivity & Specificity (?) 2. Subgroup analysis according to disease location 3. Correlation with CRP | 1. Sens. 0.95 (0.83-0.99) Spec. 0.56 (0.4-0.71) 2. Colon, Small bowel not significantly different 3. Poor correlation with CRP | 1b | – Sometimes stool sample after endoscopy – not clear if predifined primary endpoint SIGN checklist: ++ |
Abbildung: Darstellung PRISMA Flow Chart (Beispiel)
*Ausschlussgründe sollen zumindest auf Volltextebene dokumentiert und im Leitlinienreport dargestellt werden.
siehe auch Systematische Literatursuche und Evidenzbewertung in der Leitlinienmediathek
Schema der Empfehlungsgraduierung
Bei der Überführung der Evidenzstärke in die Empfehlungsstärke werden Kriterien wie die Konsistenz der Studienergebnisse, die klinische und Patient*innen-Relevanz der Endpunkte, das Nutzen-Risiko-Verhältnis, die Patient*innenpräferenzen oder die Anwendbarkeit der Methode berücksichtigt, die zu einer Auf- bzw. Abwertung des Empfehlungsgrads gegenüber dem Evidenzgrad führen kann.
Die Graduierung der Empfehlungen erfolgte über die Formulierung soll, sollte, kann erwogen werden (s. Tabelle).
Tabelle: Schema zur Graduierung von Empfehlungen (Empfehlungsgrad nur bei S3)
Empfehlungsgrad (nur S3)* | Beschreibung | Syntax |
---|---|---|
A | starke Empfehlung | soll/soll nicht |
B | Empfehlung | sollte/sollte nicht |
0 | Empfehlung offen | kann erwogen werden/kann verzichtet werden |
*Der Empfehlungsgrad sowie der Evidenzgrad werden nur bei evidenzbasierten Empfehlungen angegeben. Bei Expertenkonsensbasierten Empfehlungen erfolgt die Graduierung über soll/sollte/kann und über die in der Tabelle angegebene Beschreibung. |
Expertenkonsens
Als Expertenkonsens werden Empfehlungen bezeichnet, zu denen keine systematische Recherche nach Literatur durchgeführt wurde oder bei einer entsprechenden Recherche keine passende Literatur zu finden war. Die Graduierung der Empfehlung ergibt sich bei Empfehlungen im Expertenkonsens ausschließlich aus der verwendeten Formulierung (soll/sollte/kann) entsprechend der Abstufung in der oben stehenden Tabelle. Gleiches gilt für S2k-Leitlinien.
S2k: Empfehlungen können aus Leitlinien adaptiert werden. Die Stärke der Empfehlung ergibt sich auch hier aus der verwendeten Formulierung (soll/sollte/kann) entsprechend der Abstufung in Tabelle 2.
S3: Existierende Leitlinien müssen, wenn Empfehlungen adaptiert werden sollen, auf ihre methodische Qualität überprüft und ggf. in einer Leitliniensynopse dargestellt werden. Darüber hinaus muss geprüft werden, ob zusätzliche Aktualisierungsrecherchen erforderlich sind. Abweichungen der übernommenen Empfehlungen sollten begründet werden.
Grundsätzlich wird aufgrund der zeitversetzten Aktualisierungen empfohlen, auf die entsprechende Leitlinie lediglich zu verweisen.
3. Leitlinienerstellung
Die Empfehlungen werden auf Basis der individuell (S2k) oder systematisch (S3) recherchierten Literatur erstellt/überarbeitet. Hierbei sollte Folgendes beachtet werden:
- Einheitliche Formulierung
- Die Empfehlungen sollten versorgungsrelevant, praxisorientiert und umsetzbar sein.
- Jede Definition, Statement oder Empfehlung wird mit einem entsprechenden Hintergrundtext und Literaturverweisen versehen.
- Auf Statements sollte möglichst verzichtet werden. Es empfiehlt sich eine Unterscheidung zwischen Statement und Empfehlung:
Statements
Als Statements werden Darlegungen oder Erläuterungen von spezifischen Sachverhalten oder Fragestellungen ohne unmittelbare Handlungsaufforderung bezeichnet. Sie können entweder auf Studienergebnissen oder auf Expertenmeinungen beruhen. Cave: Statements als „Ist-Aussagen“ sind u.U. justiziabel.
Empfehlungen
Empfehlungen sind versorgungsrelevante und praxisorientierte Handlungsaufforderungen.
Eine Vorlage für die Erstellung der Empfehlungen steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.
- Eine Erläuterung und Begründung der Empfehlung sollte in einem Hintergrundtext zur Empfehlung mit Abwägung von Nutzen und Schaden und ggf. weiterer Kriterien (siehe Erstellung der Empfehlungen) dokumentiert werden.
- Der Hintergrundtext sollte nicht länger als eine halbe Seite sein.
- Die Hintergrundtexte können auch noch nach der Konsensuskonferenz finalisiert werden, sollten jedoch bis zur Delphi-Abstimmung zumindest stichpunktartig vorliegen
Alle Empfehlungen, auch die Empfehlungen, die unverändert aus einer alten Leitlinie übernommen werden, werden vor Konsensuskonferenzen in einem Delphiverfahren mittels Online-Survey von allen Leitlinienmitgliedern mithilfe einer 3-stufigen Entscheidungsskala unter Beachtung des Interessenkonfliktmanagements abgestimmt (ja, nein, Enthaltung).
Zu Empfehlungen, die nicht mit ja abgestimmt werden, muss ein begründender Kommentar hinterlegt werden. Empfehlungen, die zu über 95% mit ja abgestimmt wurden, gelten als verabschiedet. Alle anderen Empfehlungen müssen überarbeitet und in der Konsensuskonferenz erneut abgestimmt werden.
Die Kommentare und Änderungsvorschläge aus der Delphi-Abstimmung werden den Koordinierenden und der AG-Leitung zur Überarbeitung zur Verfügung gestellt.
Um den Umfang der in der Konsensuskonferenz abzustimmenden Empfehlungen/Statements zu reduzieren, kann es sinnvoll sein, eine zweite Delphi-Abstimmung durchzuführen.
In einer strukturierten Konsensuskonferenz (Online/Präsenz) unter unabhängiger Moderation werden die überarbeiteten Empfehlungen von der AG-Leitung vorgestellt. Die Empfehlungen werden nach den Prinzipien der National Institutes of Health Konferenz besprochen und abgestimmt: Präsentation im Gesamtplenum unter Berücksichtigung der Kommentare und ggf. Erläuterungen durch die AG-Leitung, Aufnahme von Stellungnahmen und ggf. Änderung, Abstimmung, bei Bedarf erneute Diskussion, Festschreiben des Ergebnisses.
Im Detail werden diskutiert und abgestimmt:
- alle Empfehlungen, die in der Delphirunde weniger als 95 % Zustimmung erhalten hatten
- Empfehlungen, die nach der Delphirunde nochmals inhaltlich verändert wurden
- Empfehlungen, die bereits in der Delphirunde verabschiedet worden waren, aber aufgrund von Dopplungen oder zur Verbesserung der inhaltlichen Stringenz der Leitlinie in den Kommentar verschoben wurden
- Empfehlungen, die in der Delphirunde nicht verabschiedet wurden und in den Kommentarteil verschoben werden sollen
- neue Empfehlungen
Empfehlungen, die aus zeitlichen Gründen nicht in der Konsensuskonferenz abgestimmt werden können, können in einer abschließenden Delphi-Abstimmung abgestimmt werden.
Die Konsensusstärke wird gemäß der Tabelle festgelegt. Als angenommen gelten Empfehlungen im Konsens mit > 75 %.
Tabelle: Einteilung der KonsensstärkeKonsens | % Zustimmung |
---|---|
Starker Konsens | > 95 |
Konsens | > 75 – 95 |
Mehrheitliche Zustimmung | > 50 – 75 |
Keine mehrheitliche Zustimmung | ≤ 50 |
Wird für eine Empfehlung kein Konsens erzielt, gibt es die Möglichkeit der Dissensdarstellung.
In begründeten Einzelfällen kann auch bei verabschiedeter Empfehlung ein Sondervotum beantragt werden durch eine oder mehrere Fachgesellschaften.
Im Anschluss an die Konsensuskonferenz erfolgte die finale Überarbeitung der Hintergrundtexte durch die AG-Leiter*innen.
4. Finalisierung
Sobald die finalen Manuskripte der AGs vorliegen, erfolgt die redaktionelle Zusammenstellung der Leitlinie durch die Koordinierenden. Dabei sollte Folgendes beachtet werden:
- Einheitliches Wording, insbesondere Abkürzungen
- Einheitliche Formatierung
- Zusammenführung der Literatur in einem Literaturverzeichnis
- Überprüfung der Empfehlungsgraduierung
Der dazugehörige Leitlinienreport wird von der DGVS Geschäftsstelle erstellt.
Die Qualität der ärztlichen Tätigkeit ist von zahlreichen Faktoren abhängig. Insbesondere die Prozessqualität ist durch ärztliches Handeln direkt beeinflussbar. Eine große Herausforderung ist es dabei, dem steten wissenschaftlichen Fortschritt in der Praxis zu folgen. Die wissenschaftlichen Standards in der Gastroenterologie werden in DGVS Leitlinien definiert und regelmäßig überarbeitet. Die Umsetzung der vielfältigen evidenzbasierten Empfehlungen in die Praxis bleibt aber anspruchsvoll. Daher kann durch eine zuvor festgelegte AG eine Auswahl von Empfehlungen, deren breite Umsetzung zu einer verbesserten Patientenversorgung in der Gastroenterologie beitragen würde, und deren Kennzeichnung als Qualitätsindikatoren erfolgen. Die ausgewählten Empfehlungen werden in der Leitlinie mit dem Hinweis „empfohlen als QI“ versehen oder in einem gesonderten Abschnitt im Sinne von Qualitätsindikatoren mit Zähler und Nenner formuliert.
Sobald die Leitlinie und der Leitlinienreport final vorliegen, werden beide Dokumente als Konsultationsfassung für zwei bis vier Wochen zur Kommentierung für die Fachöffentlichkeit auf der DGVS und AWMF Website online gestellt. Parallel erhalten die beteiligten Fachgesellschaften und die AWMF die Leitlinie zur Freigabe. Eine Verbreitung der Inhalte der Konsultationsfassung durch Dritte ist nicht gestattet.
Alle Anmerkungen und Hinweise werden in der DGVS Geschäftsstelle gesammelt und in einer Übersichtstabelle zusammengestellt. Die Leitlinie wird anschließend anhand der eingegangenen Kommentare durch die Koordinierenden in Abstimmung mit den AG-Leitenden überprüft und überarbeitet. Die überarbeitete Fassung wird noch einmal final durch die AWMF freigegeben.
5. Implementierung
Mit der finalen Freigabe der AWMF wird die Leitlinie, inkl. Leitlinienreport, auf der DGVS und AWMF Website veröffentlicht. Parallel wird die Leitlinie zur Publikation in der Zeitschrift für Gastroenterologie eingereicht.
Die DGVS unterstützt die Verbreitung und Implementierung der Leitlinien durch Newsletter, Social Media und Podcast der DGVS sowie die Ausrichtung von Leitlinienseminaren und Leitliniensitzungen im Rahmen des Jahreskongresses Viszeralmedizin.
Sämtliche anderen Versionen oder Kurzformen oder Auszüge von Leitlinien müssen durch den Vorstand der DGVS und die Koordinierenden autorisiert werden. Leitlinien, die in der Verantwortung der DGVS erstellt wurden, stellen geistiges Eigentum der DGVS und der von ihr beauftragten Leitlinienverantwortlichen dar. (Siehe auch Primärpublikation und Sekundärverwertung von Leitlinien der DGVS)
Um die Bekanntheit der Leitlinie zu steigern, unterstützt und befürwortet die DGVS eine englische Übersetzung der Leitlinie. Die Koordinierenden können Gelder für eine Übersetzung im Rahmen der initialen Budgetplanung beantragen.
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