Namensgeber unserer Preise
Die Förderung von wissenschaftlicher Arbeit ist eines der Kernaufgaben der DGVS. Unsere Preise und Stipendien werden jährlich im Rahmen der DGVS Jahrestagung verliehen. Viele unserer Preise haben prominente Namensgeber, die wesentlich zur Entwicklung der Gastroenterologie beigetragen haben. Hier finden Sie einen Überblick über diese Namensgeber.

Ismar Boas
erster Spezialarzt für Magen- und Darmkrankheiten, trug durch seine Initiativen entscheidend zur frühen Etablierung und Weiterentwicklung des neuen Fachgebietes Gastroenterologie bei. Wissenschaftlich befasste er sich eingehend mit der Pathophysiologie der Magenerkrankungen und mit der Bedeutung der Stuhluntersuchung auf okkultes Blut. Als Jude musste Boas 1936 aus Deutschland emigrieren.

Carl Anton Ewald
wurde 1876 Direktor der Berliner Frauensiechenanstalt und 1882 zum außerordentlichen Professor ernannt. 1888 wurde er Leiter der Abteilung für Innere Medizin am Kaiserin-Augusta-Hospital in Berlin. Seine Klinik der Verdauungskrankheiten wurde in englischer Übersetzung zum internationalen Standardwerk. Mit seinem Namen ist die Einführung des „weichen Magenschlauches“ 1875 (zeitgleich zu Leopold Oser, Wien) und das Boas-Ewaldsche Probefrühstück verbunden.

Harald Goebell
1975 bis 1998 Lehrstuhlinhaber für Innere Medizin und Leiter der Klinik für Gastroenterologie, Universität Essen, forschte über die Pathophysiologie der Pankreaserkrankungen und befasste sich eingehend mit deren Klassifikation. Im Zentrum seiner Forschungsarbeit stand die Sekretion des Pankreas und deren Regulation durch Hormone. Goebell vermittelte 1990 den Zusammenschluss von DGVS und der Gesellschaft für Gastroenterologie der DDR. Harald Goebell verstarb im Juni 2017 im Alter von 84 Jahren.

Martin Gülzow
war von 1957 bis 1973 Lehrstuhlinhaber für Innere Medizin und Leiter der Medizinischen Klinik der Universität Rostock. Im Mittelpunkt seiner Forschungsarbeiten standen die Pankreaserkrankungen, insbesondere die akute und chronische Pankreatitis. Seit den 1930er Jahren befasste er sich intensiv mit der Untersuchung der Enzymaktivität des Pankreas. Auf Gülzows Initiativen geht die Gründung der Gesellschaft für Gastroenterologie der DDR 1965 zurück.

Walter Krienitz
war ein Halberstädter Arzt, der 1906 als einer der Ersten überhaupt in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift Bakterien im menschlichen Magen beschrieb. Er gilt daher als Wegbereiter der Magenbakteriologie.

Nikolaus Müller-Lantzsch
war von 1988 bis 2009 Lehrstuhlinhaber für Virologie am Universitätsklinikum Homburg / Saar. Er war Gründungsmitglied der Gesellschaft für Virologie e.V. und in den Jahren 2005-2011 ihr Präsident. Seine Forschungsschwerpunkte waren insbesondere EBV, HIV-Diagnostik und humane endogene Retroviren.

Ernst Viktor von Leyden
Internist, repräsentierte im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts den Paradigmenwechsel in der Medizin, die sich mit enormer Dynamik die Erkenntnisse der naturwissenschaftlichen Grundlagenfächer verfügbar machte.

Otto Porges
war ein österreichischer Spezialist für Stoffwechselkrankheiten, insbesondere für den Diabetes mellitus. Daneben beschäftigte er sich mit Magen- und Darmerkrankungen und forschte zur Gastrophotographie. 1929 bis 1933 leitete er die I. Medizinische Universitätsklinik Wien. 1938 wurde Porges zur Emigration in die USA gezwungen.

Rudolf Schindler
beschäftigte sich intensiv mit der Technik der Gastroskopie und führte 1932 wegweisend die semiflexible Gastroskopie ein, die für 25 Jahre Standard der Magendiagnostik wurde. Er emigrierte 1934 in die USA und wurde dort einer der führenden Endoskopiker. Die heutige amerikanische Endoskopiegesellschaft (ASGE) ging aus dem von Schindler 1941 gegründeten ‚American Gastroscopic Club’ hervor.

Siegfried Thannhauser
spezialisierte sich frühzeitig auf Stoffwechselkrankheiten. Er lieferte grundlegende Kenntnisse zum Purin- und Cholesterinmetabolismus sowie zur Entstehung der Gicht. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde Thannhauser im April 1934 als Ordinarius für Innere Medizin der Universität Freiburg entlassen. Er emigrierte 1935 in die USA und konnte an der Tufts University Boston seine biochemischen Arbeiten fortsetzen.
Zur Geschichte der Ismar Boas-Medaille
Der 5. Oktober 1990 ist in der Geschichte der DGVS ein bedeutendes Datum. Während der legendären 45. Jahrestagung in Essen verkündete der damalige Kongresspräsident Harald Goebell: „Es ist vorgesehen, dass sich die Gesellschaft für Gastroenterologie der ehemaligen DDR Ende Oktober / Anfang November 1990 auflöst und ihren Mitgliedern den Beitritt zur DGVS empfiehlt“ [1]. Dieses Vorgehen war in vorangegangenen Gesprächen mit den Vertretern der DDR-Fachgesellschaft abgestimmt und vereinbart worden. Im Frühjahr 1991 wurde der Zusammenschluss formell vollzogen. Die Trennung in zwei deutsche Fachgesellschaften für Gastroenterologie seit dem Mauerbau am 13. August 1961 war Geschichte.
In der gleichen Sitzung am 5.10.1990 berichtete der Kongresspräsident, dass die Ismar Boas-Medaille der Gesellschaft für Gastroenterologie der DDR zukünftig von der DGVS an den Vortragenden der Ismar Boas Vorlesung verliehen werden solle [2]. Daneben wurde die Übernahme der Pflege des Boas-Grabes auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weissensee durch die DGVS festgelegt.
Boas-Medaille in der früheren DDR
Nach dem Mauerbau 1961 hatte sich in der DDR 1965 durch eine Initiative des Rostocker Internisten und Gastroenterologen Martin Gülzow eine „Arbeitsgemeinschaft für Gastroenterologie und Ernährung“ gebildet. Diese wurde am 3. Oktober 1967 in eine selbständige Fachgesellschaft umgewandelt und erhielt 1969 die definitive Bezeichnung „Gesellschaft für Gastroenterologie der DDR“. Die Mitgliederversammlung des 7. Gastroenterologen-Kongresses der DDR im September 1977 beschloss die „Stiftung einer Medaille zur Anerkennung besonders verdienstvoller Arbeit im Rahmen der Gesellschaft für Gastroenterologie der DDR sowie organisatorischer Leistungen zur Förderung der Subdisziplin“ [3]. Diese Medaille trägt seither den Namen des Begründers des Faches Gastroenterologie weltweit Ismar Boas (1858-1938), der seit 1886 als erster „Spezialarzt“ für Magen- und Darmkrankheiten in Berlin praktizierte und der 1936 als Jude aus Deutschland fliehen musste [4].
Die Medaille wurde von dem Bildhauer Joachim Jastram, Rostock, entworfen und als Bronzeguss in der traditionsreichen Kunstgießerei Lauchhammer im südbrandenburgischen Lauchhammer angefertigt [5]. Die Boas-Medaille wurde in der DDR 1978 erstmals, letztmalig 1989 verliehen. Erster Träger war der Internist und Hepatologe Friedrich Gerhard Renger (Berlin / DDR). Neben anderen erhielten der Gastroenterologe Werner Teichmann, Rostock, 1980, der gastroenterologisch orientierte Pathologe Balthasar Wohlgemuth, Leipzig, 1984 und der Gastroenterologe Hans Berndt, Berlin, 1986, die Auszeichnung. Seit 1990 wird die Ismar Boas-Medaille von der DGVS verliehen.
@2024
Ein Beitrag von Dr. med. Harro Jenss, Archivar der DGVS
Quellen
- Archiv der DGVS. Protokoll Mitgliederversammlung der DGVS, 45. Tagung der Gesellschaft in Essen, 5. 10. 1990, S. 1.
- ebd., S. 2
- Teichmann W., Wolff G. Zum 25jährigen Bestehen der Gesellschaft für Gastroenterologie der DDR, IV. Geschichte der Gesellschaft für Gastroenterologie der DDR. Gastroenterologisches Journal 1990; 50: 157 – 162 hier S. 162
- Jenss H. Ismar Boas. Erster Spezialarzt für Magen- und Darmkrankheiten. Begründer der Gastroenterologie. Jüdische Miniatur, Band 96. Berlin: Hentrich&Hentrich 2010. vgl. https://www.dgvs-gegen-das-vergessen.de/biografie/ismar-boas/
- Deutsches Hygienemuseum Dresden, https://sammlung.dhmd.digital/object/bef7a59d-5e41-47b2-af6a-80f7468b6a4d