Krankheiten der Verdauungsorgane vermeiden und behandeln

Ausgangssituation: Das Kraftwerk des Körpers stärken

Die Verdauungsorgane sind das Kraftwerk unseres Körpers. Doch Krankheiten der Verdauungsorgane gehören zu den häufigsten Krankheiten der Deutschen:

  • Jährlich werden 2,5 Millionen Menschen mit Krankheiten des Magen-Darm-Traktes, der Leber, der Gallenwege oder der Bauchspeicheldrüse im Krankenhaus behandelt
  • 61.000 Menschen sterben an Krankheiten der Verdauungsorgane.
  • Bei der Zahl der Erkrankten ist bis 2032 mit einem Anstieg um 22 % zu rechnen

 

Prävention

Erkrankungen der Verdauungsorgane verringern die Lebensqualität und die Lebenserwartung der Betroffenen und verursachen darüber hinaus einen großen volkswirtschaftlichen Schaden. Auslöser dieser Krankheiten sind chronische Entzündungsprozesse in Leber, Darm oder Bauchspeicheldrüse, als deren Folge es zu Organschädigungen bis hin zu Krebs kommt. Nicht zuletzt hat auch unser Lebensstil einen großen Einfluss auf das Erkrankungsrisiko. Das gilt in besonderer Weise für Krankheitsbilder wie Darmkrebs oder die nicht-alkoholische Fettleber. Andere Krankheiten wie beispielsweise chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) treten oft bereits im Kindes- und Jugendalter auf, beeinträchtigen lebenslang die Gesundheit der Betroffenen und führen zu zahlreichen Folgeerkrankungen, die künftig besser vermieden werden müssen. Wissenschaftliche Studien legen nahe, dass bis zu 70% aller Krebserkrankungen vermeidbar sind.

 

Versorgung

Für alle gastroenterologischen Krankheitsbilder gilt: Sie müssen frühzeitig diagnostiziert sowie zielgerichtet und individuell behandelt werden. Immer mehr Erkrankungen lassen sich ambulant versorgen; für viele komplexe Krankheitsfälle sind spezialisierte Zentren, die unterschiedliche Disziplinen vereinen, unverzichtbar. Doch auch in der Fläche muss die Versorgung häufiger und weniger komplexer Krankheiten evidenzbasiert sichergestellt sein. Ambulante und stationäre Versorgung sind darüber hinaus optimal zu vernetzen, da insbesondere chronisch kranke Patienten häufig wechselnd ambulant und stationär behandelt werden müssen. Dafür müssen die bestehenden Versorgungsstrukturen auf Basis geeigneter Rahmenbedingungen (z.B. DRGs) sowie einer regionalen Bedarfsplanung weiterentwickelt werden.

 

Forschung

Basis für eine optimale Versorgung bildet das Verständnis über Krankheitsursachen und -entstehung. Die gastroenterologische Forschung konnte in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte erzielen. Beispiele sind die Darmkrebsfrüherkennung, die Helicobacter pylori-Therapie, die spezifischen antiviralen Therapien bei Hepatitis sowie die neuen Therapien bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Doch viele Forschungsfragen sind noch unbeantwortet. Daher dürfen die Anstrengungen nicht nachlassen, gerade auch in Deutschland die gute Basis der gastroenterologischen Forschung zu nutzen, um neue Erkenntnisse in klinischen Studien zu entwickeln und diese unmittelbar in die Patientenversorgung einzubringen.

 

Mehr Gesundheit durch Gastroenterologie: Was jetzt zu tun ist!

Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag formuliert, dass sie die Prävention von nicht-übertragbaren Krankheiten, die ambulante und sektorenübergreifende Versorgung sowie die translationale Forschung stärken möchte. Wie das genau erfolgen soll, muss jetzt zeitnah erarbeitet werden. Die Coronapandemie hat viele wichtige gesundheitspolitische Themen in den Hintergrund gedrängt: Doch die Zeit für unsere Patienten läuft jeden Tag.

 

Im Fokus: Prävention

Fast jeder Dritte leidet an einer nicht-alkoholischen Fettleber. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2030 die Anzahl der Patienten mit einer Fettleberentzündung auf 4,7 Millionen Fälle ansteigen wird. Ohne therapeutische Interventionen kann es zu teilweise schweren Komplikationen in der Leber (Leberzirrhose und hepatozelluläres Karzinom) sowie anderen Organsystemen kommen. Bei der Hälfte der Fettleber-Patienten liegen weitere Erkrankungen des Stoffwechsels vor (Dyslipidämie, Typ-2-Diabetes mellitus). Zusätzlich sind die Patienten häufig von Adipositas (72%, BMI ≥ 30 kg/m2) und Hypertonie (80%) betroffen.

Darmkrebs ist bei Männern die häufigste, bei Frauen die zweithäufigste Krebserkrankung. Jedes Jahr erkranken daran mehr als 60.000 Menschen neu. Wie kaum eine andere Krankheit lässt sich Darmkrebs durch Früherkennung verhindern. Da die Krankheit oft zu spät entdeckt wird, gibt es jedes Jahr jedoch immer noch mehr als 24.000 Todesfälle.

 

So gelingt wirkungsvolle Prävention!

Unser Lebensstil hat einen großen Einfluss auf das Risiko, Krankheiten der Verdauungsorgane zu entwickeln: Einseitige Ernährung, Übergewicht und mangelnde Bewegung erhöhen das Erkrankungsrisiko deutlich. Die DGVS setzt sich daher für eine wirkungsvolle Prävention ein, die Aufklärung ebenso mit einschließt wie konkrete Bewegungs- und Ernährungsangebote für beispielsweise Kinder und Jugendliche in KITAs und Schulen. Darüber hinaus bietet die DGVS ihre Expertise bei der Entwicklung von Disease-Management-Programmen (z.B. DMP Adipositas) an. Außerdem fordert sie den Ausbau der bestehenden Früherkennungs- und Screening-Maßnahmen:

  • Die Prävention der Fettleber ist in die Gesundheitsziele gem. §20 Abs 3 SGB V aufzunehmen.
  • Damit Ärzte ihre Patienten systematisch auf ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung einer Fettleber untersuchen können, muss die Bestimmung der Leberwerte fester Bestandteil des Check-up 35 werden.
  • Da die genetische Komponente beim Darmkrebs-Screening derzeit zu wenig berücksichtigt wird, müssen künftig mehr Menschen schon vor dem 50. Lebensjahr direkt über das Einladungsverfahren der Krankenkassen zur Darmkrebs-Früherkennung eingeladen werden.
  • Für den immunologisch fäkalen Okkultbluttest iFOBT zum Nachweis von Blut im Stuhl muss es verlässliche Qualitätsstandards geben, damit er als ein wichtiger Baustein der Darmkrebsfrüherkennung noch wirksamer eingesetzt werden kann.

 

Im Fokus: Versorgung

Bauchschmerzen gehören zu den häufigsten Symptomen und sind oft der Anlass für den Gang in eine Arztpraxis oder sogar für einen Krankenhausaufenthalt. Die Ursachen dieses Symptoms sind ebenso wie die vieler anderer Beschwerden der Verdauungsorgane vielfältig und nicht immer einfach zu diagnostizieren. Nur eine sorgfältige Abklärung der Symptome ermöglicht eine verlässliche Diagnostik und dann auch eine zielgerichtete Behandlung.

Für die Diagnostik und Therapie der vielfältigen gastroenterologischen Krankheitsbilder bedarf es geeigneter Strukturen und ausgewiesener Expertise. Immer mehr lässt sich heute ambulant abklären und behandeln – bis hin zu operativen Eingriffen. Viele Menschen mit vor allem chronischen Krankheiten können umfassend in Praxen versorgt werden, brauchen jedoch auch immer wieder die qualitätsgesicherte Versorgung in einer stationären Einrichtung. Daher muss die sektorenübergreifende Versorgung bedarfsgerecht verbessert werden.

Für die Therapie komplexer Krankheitsbilder wie der akuten Pankreatitis oder gar bei einer Transplantation ist häufig die Expertise verschiedener Disziplinen notwendig, was wiederum nur in spezialisierten Zentren geleistet werden kann.

 

So gelingt angemessene Versorgung!

Kaum ein Fach betreut so viele unterschiedliche Krankheiten wie die Gastroenterologie. Umso wichtiger ist es, für alle Patienten in der jeweiligen Situation eine angemessene Versorgung sicherzustellen. Die DGVS unterstützt daher die Ambulantisierung stationärer Leistungen, wenn die dafür notwendigen Strukturen aufgebaut sind, Versorgungsdefizite vermieden werden und ein angemessener Finanzierungsrahmen definiert ist. Gleichzeitig fordert sie, bürokratische Hürden zwischen den Sektoren abzubauen und die Versorgung in spezialisierten Zentren zu stärken.

  • Die Chancen der Ambulantisierung können nur genutzt werden, indem für die ambulante Behandlung bislang stationär behandelter Krankheiten transparente, überprüfbare Struktur- und Qualitätsvorgaben geschaffen werden.
  • Um Versorgungsengpässe zu vermeiden, muss die Ambulantisierung mit allen Beteiligten sorgfältig geplant werden, um in den Regionen die dafür notwendigen Strukturen zu schaffen.
  • Für komplexe gastroenterologische Krankheitsbilder, die wie die Pankreatitis häufig auch als Notfall versorgt werden, müssen zertifizierte Zentren zur Verfügung stehen.
  • Sektorengrenzen müssen überwunden werden, damit Krankheiten wie CED ohne Hürden für die Patienten und Ineffizienzen wie etwa Doppeluntersuchungen versorgt werden können.

 

Im Fokus: Forschung

Die Erkenntnis, dass Magengeschwüre durch Helicobacter pylori-Bakterien verursacht werden, hat dazu geführt, dass die meisten Patienten heute nicht operiert werden müssen, sondern mit Antibiotika behandelt werden können; durch die moderne Darmkrebsvorsorge lassen sich Krebs-Vorstufen erkennen und ohne Operation entfernen; die chronisch verlaufende Virus-Hepatitis C kann mittlerweile medikamentös behandelt werden: Diese Meilensteine gastroenterologischer Forschung zeigen, wie wirkungsvoll diese ist, und gleichzeitig, wie wichtig es ist, noch offene Forschungsfragen anzugehen.

Fehlfunktionen der Verdauungsorgane führen nicht nur zu Krankheiten an Magen, Darm, Bauchspeicheldrüse oder Leber. Man weiß heute, dass viele Krebserkrankungen, aber auch Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus oder Alzheimer-Demenz damit zusammenhängen. Das Risiko, zu erkranken, ist allerdings von Mensch zu Mensch unterschiedlich hoch. Die genauen Mechanismen müssen daher besser erforscht werden. Aus diesen Erkenntnissen können sich neue, vielversprechende Ansätze für Prävention, Früherkennung und Versorgung ergeben.

 

So gelingt patientenorientierte Forschung!

Seit Jahrzehnten fördert die DGVS Forschung und Forscherkarrieren in der Gastroenterologie, die dazu beitragen, wissenschaftliche Erkenntnisse zu entwickeln, die unmittelbar den Patienten zugutekommen. Um die Erforschung individueller Risikoprofile voranzutreiben und individualisierte Präventions- und Behandlungskonzepte zu entwickeln, fordert sie jedoch darüber hinaus, gastroenterologische Forschungsprojekte deutschlandweit enger zu vernetzen und finanziell zu fördern.

  • Die Zusammenhänge zwischen Störungen des Darm-Mikrobioms und der Entstehung von Volkskrankheiten wie Diabetes Mellitus oder Alzheimer müssen noch besser verstanden werden, um neue Präventions- und Behandlungsmethoden entwickeln zu können.
  • Heute häufig zu spät diagnostizierte und schlecht behandelbare Tumore wie die der Bauchspeicheldrüse müssen künftig ebenso gut erkannt und therapiert werden können wie die an Magen oder Darm.
  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sollten so gut behandelbar werden, dass sie die Lebensqualität der oft jungen Betroffenen nicht mehr einschränken, deren Übergang in eine Krebserkrankung vermieden wird und langwierige, kostspielige Behandlungen überflüssig werden.
  • Ursachen und Risikofaktoren der Fettleber müssen mithilfe neuer, interdisziplinärer und industrieunabhängiger Förderkonzepte erforscht werden, um durch gezielte Früherkennung und individualisierte Therapiekonzepte Spätfolgen wie Leberversagen oder Leberkrebs vermeiden zu können und Lebertransplantationen unnötig zu machen.

Zum Wohl von Millionen Betroffenen müssen Erkrankungen der Verdauungsorgane künftig besser und effektiver verhindert werden. Sind Menschen erkrankt, müssen sie frühzeitig diagnostiziert und qualitätsgesichert behandelt werden. Das geht nur mithilfe von Forschung. Daher muss die Politik jetzt in Prävention, Versorgung und Forschung investieren!